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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Wohnzimmer, es hing immer noch kein Bild an der Wand. Er setzte sich auf den Sessel, sie aufs Sofa. Sie bot ihm etwas zu trinken an, er lehnte ab. »Aber wenn du einen Bissen zu essen hättest.«
    »Komm mit!« Sie gingen in die Küche. »Bedien dich.«
    Er aß ein Käsebrot, danach ging es ihm besser.
    »Du siehst blass aus.«
    »Dann sehe ich aus, wie ich mich fühle.« Sie gingen zurück ins Wohnzimmer, er erzählte vom Gefängnis und von dem Verdacht, unter dem er immer noch stand.
    »Aber seit deiner Entlassung bist du nicht mehr vernommen worden.«
    »Sie haben mich in Ruhe gelassen. Ich fürchte, was sie haben, reicht ihnen. Vielleicht suchen sie noch was, um das Gericht zu beeindrucken, und wie ich die kenne, finden sie etwas, das ihnen in den Kram passt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie flott die ein Puzzle aus Indizien so zusammenbauen, dass du dich am Ende fast selbst als Mörder siehst.«
    »Eigentlich dürfen wir nicht miteinander reden.«
    »Das haben die doch längst vergessen.«
    Ines schüttelte den Kopf, ihre Haare glitzerten im Lampen-licht. »Nein, die vergessen nichts. Die führen dich an der langen Leine und hoffen, dass du ihnen noch was lieferst. Willst du einen Tee? Ich hätte Lust drauf.« Sie verschwand in der Küche.
    Er ging auf die Toilette.
    Als er zurückkam, hörte er sie summen, die Melodie kannte er nicht. Sie klang schwermütig. Nach einer Weile kam sie mit einem Tablett, darauf Tassen und eine Kanne. Sie stellte das Tablett auf den Tisch und reichte Stachelmann Tee.
    »Und dann gibt es da noch etwas.« Stachelmann berichtete von dem Eindringling.
    Sie schüttelte wieder den Kopf. »So etwas habe ich noch nie gehört. Ich würde beim nächsten Mal gleich die Kriminalpolizei rufen.«
    Stachelmann schauderte es. »Ich hoffe, ein nächstes Mal gibt es nicht. Ein neues Schloss, fast einbruchsicher, und niemand außer mir hat den Schlüssel. Da müsste er die Tür aufbrechen und Spuren hinterlassen. Das will er nicht, so viel hab ich kapiert.«
    »Pass auf dich auf, wer einen umbringt …«
    »Ich weiß, ich habe auch Angst. Mich plagt die Vorstellung, ich sei hilflos einem ausgeliefert, der weiß, wo ich wohne und was ich tue. Ich komme mir vor wie eine Ameise, die ein unsichtbarer Insektenforscher unter der Lupe betrachtet. Schon um dieses Gefühl loszuwerden, muss ich was tun. Du weißt wirklich nicht mehr über Wolfs Fluchthelferspezis oder gescheiterte Fluchten?«
    »Nein. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht helfen kann. Ich weiß wenig über die Fluchthelfer, noch weniger über gescheiterte Aktionen. Aber ich finde deine Idee gut, in diesem Umfeld zu suchen. Ich muss heute Abend nach Berlin, übermorgen ist die Beerdigung …«
    »Entschuldigung, ich hab nicht dran gedacht.«
    »Ist schon gut. Auch für mich ist das fern. Es ist seltsam, ich verliere meinen Mann, und ich habe es noch gar nicht richtig bemerkt. Ich suche die Trauer, aber ich finde sie nicht. Ich hab mal gehört, das komme später. Ich bilde mir ein, als mein Vater beerdigt wurde, war es genauso. Aber so genau weiß ich das nicht mehr.«
    Stachelmann überlegte, wie es bei seinem Vater gewesen war. Er hatte keine Zeit gehabt zu trauern. Oder er hatte sich schon zuvor verabschiedet, damals, als sie sich gestritten hatten. Es war ihm noch nicht klar.
    »Und jetzt reist du durch die Gegend und befragst Leute, von denen jeder glauben könnte, er habe einen Grund gehabt, Wolf zu töten. Pass auf dich auf Josef.« Sie schaute ihn lange an aus traurigen Augen. »Wenn das alles vorbei ist, reden wir miteinander. Was meinst du?«
    Er zögerte, dann nickte er. »Natürlich.« Sie war schön, aber der Zauber war verflogen. Stachelmann dachte an Anne. Dann fand er sich unfair. »Natürlich reden wir miteinander. Wenn wir beide mit dem fertig sind, was wir nun tun müssen.«
    An der Tür nahm sie ihn in den Arm. »Du bist bei mir, Josef. Das ist ein bisschen komisch, ich weiß. Ich fahre allein nach Berlin, was sollten denn die Leute denken? Aber hier drin nehme ich dich mit.« Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre linke Brust. »Ganz schön kitschig, was?« Sie lachte leise. »Aber so bin ich. Manchmal jedenfalls.«
    Er fühlte ihre Brust und zog seine Hand weg.
    »Ja«, sagte sie. »Du musst auf dich aufpassen, versprich es.«
    »Ich habe mir vorgenommen, mich nicht umbringen zu lassen.«
    »Dann geh jetzt.«
    Er sah die Träne in ihrem Auge. Es verwirrte ihn, warum weinte sie? Langsam ging er die Treppe hinunter. Er

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