Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
»Du hast mich verpfiffen, das hat mir ein paar Monate Hohenschönhausen eingebracht.«
    »Du hast im Knast gesessen?«
    »Ja.«
    Die Tür ging auf, eine Frau mittleren Alters kam zwei Schritte ins Zimmer und fragte: »Kaffee? Wasser?«
    Griesbach winkte ab.
    »Bringen Sie mir einen Kaffee, wie immer«, sagte Dreilich. Als die Frau gegangen war, sagte er: »Ich habe dich nicht verpfiffen. Wenn du nicht im Knast gesessen hättest und kein Freund wärest, dann würde ich dich rausschmeißen.« Er schien nicht beunruhigt zu sein.
    »Mein Vernehmer hat mir was erzählt von unserem Gespräch in der Mokkabar. Das konnte er nur von dir wissen.«
    »Und was?«
    »Von Paris, vom Moulin Rouge.«
    »Du bist naiv. Da hat jemand das Gespräch abgehört. Tisch verwanzt. Die hatten mich die ganze Zeit schon auf dem Kieker.«
    »Woher weißt du das? Haben die dir das auf die Nase gebunden?«
    »Nein, aber ich wurde beim Grenzübertritt zweimal aus der Schlange herausgewinkt und durchsucht. Eklig, so was.«
    Griesbach staunte. Dreilich saß ruhig hinter seinem Schreibtisch. Griesbach hatte erwartet, dass er sich aufregte, ihn beschimpfte. Es verunsicherte ihn. Er überlegte, ob er Unrecht hatte. Womöglich war Dreilich wirklich einer, der aus Überzeugung half.
    »Warst du mal wieder drüben?«, fragte Griesbach.
    »Ich bin doch nicht verrückt. Wenn die mich kriegen, stecken sie mich für Jahre in den Knast. Nachts träume ich manchmal, sie würden mich entführen, so, wie sie das früher gemacht haben. Was treibt eigentlich Helga?«
    »Wir haben uns getrennt.« Er versuchte, seine Stimme gleichmütig klingen zu lassen.
    »Das passiert. Ist sie drüben geblieben?«
    Griesbach zuckte mit den Achseln. »Kann sein.« Er wollte nicht darüber sprechen.
    »Schade, war nett. Und hübsch. Ich hab ja eine Schwäche für Ostfrauen.«
    »Wodurch unterscheiden die sich von denen im Westen?«
    »Probier es aus.« Dreilich lachte. »Wir sollten uns bald mal wieder sehen.« Er stand auf hinter seinem Schreibtisch und kam auf Griesbach zu. Dreilich streckte die Hand aus, Griesbach zögerte, dann gab er ihm seine Hand. Er hatte es sich so einfach vorgestellt.
    Draußen auf der Straße wurde ihm schwindlig. Er setzte sich auf die Treppe. Der Pförtner kam, Griesbach bat darum, ihn ein paar Minuten sitzen zu lassen, er habe sich nur ein wenig überanstrengt. »Jetzt machen schon die jungen Leute schlapp«, murmelte der Pförtner und ging. Als Griesbach in seiner Studentenbude bei einer Witwe in Dahlem saß, war der Schock abgeklungen. Es war ohnehin falsch gewesen, Dreilich aufzusuchen. Griesbach hatte sich entschieden, und das würde er durchziehen bis zum Ende. Für den Abend war ein Treff in Ostberlin angesetzt, sie würden reden und trinken, und am Morgen wäre er wieder zu Hause. Er legte sich aufs Bett, bald schlief er ein. Als er aufwachte, schaute er auf die Uhr und erschrak. Er würde zu spät kommen. Griesbach rannte die Treppe hinunter und dann zur U-Bahn. Der Zug fuhr ihm vor der Nase weg. Er fluchte und trat gegen eine Litfasssäule.
    Er erschien abgehetzt in dem kleinen Haus im Wald, wo schon die letzte Begegnung stattgefunden hatte. Du musst Professor werden, hatte Heinz ihm da gesagt. Heinz war ein Kumpel, der alles verstand. Ich bin für dich da, sagte er. Er gab ihm eine Telefonnummer. Wenn du mal Sorgen hast, wir sind alle nur Menschen. Heinz lachte breit, er hatte braune Zähne, weil er stark rauchte, Karo, filterlose Zigaretten, die so trocken waren, dass der Tabak aus dem Papier rieselte.
    »Wie geht es Helga?«, fragte Griesbach.
    »Gut, sie studiert fleißig.«
    »Wann darf ich sie sehen?«
    »Sei nicht ungeduldig.« Heinz nahm einen Schluck aus der Bierflasche. »Komm, trink auch einen.« Er schob ihm eine Bierflasche hin und schenkte in die Schnapsgläser Nordhäuser Korn ein. Dann hob er das Schnapsglas. »Auf den Frieden!«
    Griesbach hob sein Glas, er sagte nichts.
    »Ach, da kommt gleich noch jemand. Sie wird dich führen und für dich da sein. Dann musst du nicht mehr so oft über die Grenze. Nur noch im Notfall. Denk dran, wir sind für dich da.«
    »Ich habe Angst«, sagte Griesbach.
    »Das ist gut, denn das macht dich wachsam. Die Schlimmsten sind die James Bonds. Die können kaum laufen vor Kraft und erledigen den Klassenfeind so nebenbei. Du darfst dich nur nicht beherrschen lassen von deiner Angst. Benutze sie wie einen Geigerzähler, wenn es laut knattert, wird’s gefährlich, dann musst du dich zurückziehen.

Weitere Kostenlose Bücher