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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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spürte, dass sie ihm nachschaute. Er drehte sich nicht um.
    Im Zug nach Lübeck dachte er nach über Ines und das, was sie gesagt hatte. Über was wollte sie mit ihm reden? Warum die Andeutungen? Dann lachte er, die Frau ihm gegenüber schaute ihn irritiert an. Natürlich, dachte er, auch wenn du es nicht glaubst, sie denkt daran, wie es mit uns weitergehen soll. Dich erstaunt, dass sie überhaupt mit dir redet. Und vielleicht weint sie, weil die Nerven versagen und sie Angst um dich hat. Sie … Angst … um … dich! Um den Versager, der mit einem Bein im Gefängnis steht. Wieder mischte sich Annes Bild in seine Gedanken. Ines’ Interesse schmeichelte ihm, doch es schien ihm unwirklich.
    Gedankenfetzen. Ich muss Oppum anrufen. Ob ich Pintus finde? Anne. Ines. Griesbachs Beerdigung. Ich habe ihn Wolf genannt, als ich mit Ines sprach. Dann kam die Angst vor dem Eindringling. Auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause verkrampfte sich der Magen. Er ging langsamer, dann zwang er sich weiterzulaufen.
    Zu Hause schlich er die Treppe hoch, hielt zweimal, um zu lauschen, ob Musik erklang aus seiner Wohnung. Als er nichts hörte, wich die Anspannung. Es hat doch etwas genutzt, das Schloss auszutauschen. Aber vielleicht wollte der Eindringling ihn in Sicherheit wiegen und hatte sich längst eine neue Überraschung einfallen lassen. Vielleicht beobachtete er Stachelmann und amüsierte sich, weil der glaubte, die Heimsuchung habe ein Ende. Stachelmann betrat leise die Wohnung. Er ließ die Tür offen stehen, um fliehen zu können. Er horchte, es regte sich nichts. Die Küche durchsuchte er zuerst. Als er hinter die Küchentür schaute, hörte er Schritte. Sie kamen aus dem Treppenhaus, eine harte Sohle klackte auf den Stein. Die Angst erzeugte einen Schweißausbruch. Er erstarrte, von hier konnte er nicht fliehen, da war jemand im Treppenhaus. Dann hörte er es klopfen, erst leise, dann laut.
    »Herr Dr. Stachelmann?« Eine Frauenstimme.
    »Ja?« Seine Stimme war belegt. »Ja?«
    »Guten Tag, der Postbote hat etwas für Sie abgegeben.«
    Stachelmann ging in den Flur und stand der Nachbarin von unten gegenüber. Erstaunlich, sonst war sie nie da. Ein Verdacht meldete sich, aber es war Unsinn, das wusste er gleich. Die Leute wohnten schon ewig hier. So einen Zufall gab es nicht. Die Frau hielt ihm ein Paket hin. Endlich nahm er es. Er las den Absender, es stammte von seiner Mutter, sie hatte sich offenbar Absenderaufkleber besorgt. Die Adresse hatte sie getippt. Früher hatte sie Schreibarbeiten für einen Geschäftsmann erledigt und nun offenbar die Schreibmaschine wieder ausgepackt.
    Stachelmann bedankte sich.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte die Frau. Mitleid lag in ihren Augen.
    »Ja, ja. Sagen Sie, haben Sie zuletzt einen Fremden im Haus gesehen?«
    Stachelmann glaubte, ihre Augen weiteten sich kurz, so, als hätte sie etwas verstanden. Vielleicht, dass er unter Verfolgungswahn litt und gerade eine Angstattacke erlebte.
    »Nein«, sagte sie. »Niemanden. Aber ich bin selten hier.«
    Als sie gegangen war, trug Stachelmann das Paket ins Wohnzimmer. Das schlechte Gewissen regte sich. Er verstand das Paket als Ruf, sich zu melden bei seiner Mutter. Sie war allein, er wusste nicht, ob sie Kontakt hatte zu Freunden, seit der Vater gestorben war. Er holte aus der Küche ein Messer, um das Klebeband aufzuschneiden. Dann öffnete er den Deckel. Er sah eine Schachtel, eingewickelt in Papier. Er hob die Schachtel aus dem Karton und riss das Papier ab. Es war eine Pralinenschachtel von Niederegger, offenbar Marzipan. Er grinste, Marzipan nach Lübeck schicken, das war so, wie Eulen nach Athen tragen. Er öffnete die Pralinenschachtel, darin war ein Plastikbeutel, er war verschweißt. In dem Beutel war etwas Braunes. Stachelmann drückte mit dem Finger darauf, es war weich. Er sprang auf. Das war kein Marzipan und auch sonst nichts, was man essen konnte. Es sah aus wie Kot. Er sah einen unverdauten Strohhalm in der braunen Masse.
    Er nahm das Telefon. Ruhig atmen, ganz ruhig. Es ist nur ein Scherz, ein saudummer Scherz. Er verwählte sich, merkte es rechtzeitig und wählte neu. Jemand hob ab, es war seine Mutter. Es beruhigte ihn, die Stimme zu hören.
    »Entschuldige, ich melde mich später noch einmal, dann können wir reden. Jetzt nur eine Frage. Hast du mir ein Paket geschickt?«
    »Nein, wie kommst du darauf?« Sie schien nachzudenken. »Ist alles in Ordnung, Josef?«
    »Ja. Bis demnächst.« Er legte auf. Dann kam der Schmerz, er zwickte

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