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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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aber Frauen sind manchmal komisch. Ich weiß, was ich da sage.« Sie lachte.
    »Wie geht es ihr?«
    »Gut, kommt voran im Studium, wird dich noch überholen.«
    Als sich Margarete an der Tür verabschiedete, legte Griesbach einen Arm um sie. Sie ließ es zu und drückte ihre Wange flüchtig an seine. Dann stieg sie die Treppe hinunter. Kurz bevor sie aus der Sicht verschwand, winkte sie, ohne sich umzusehen.

14
    Es schneite dicke Flocken, die Bürgersteige waren glatt, auf die Straßen hatten Autoreifen eine harte weiße Schicht gewalzt. Schon bevor er den Bahnhof erreicht hatte, wusste Stachelmann, sein Zug würde mal wieder verspätet sein. In letzter Zeit hatte es oft Verspätungen gegeben auf der Strecke zwischen Lübeck und Hamburg. Ein paar Blätter auf den Gleisen genügten, um den Fahrplan umzuwerfen. Es waren nur zehn Minuten, dennoch fürchtete Stachelmann, den ICE von Hamburg nach Frankfurt am Main zu verpassen. Dort wollte er in eine Regionalbahn nach Weinheim umsteigen. Er hatte Pintus am Morgen noch einmal angerufen und sich für neunzehn Uhr mit ihm verabredet. Pintus war freundlich gewesen und hatte so getan, als wären sie alte Bekannte.
    Auch der ICE hatte Verspätung, obwohl er in Altona in Dienst gestellt worden war. Stachelmann setzte sich auf den reservierten Platz am Gang in einem Nichtraucherabteil der ersten Klasse. Er war nur kurz allein, dann öffnete sich die Abteiltür, und eine junge Frau trat ein mit einem Mädchen, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Die Frau hob einen kleinen Koffer auf die Gepäckablage über den Plätzen und setzte sich Stachelmann schräg gegenüber ans Fenster, das Kind daneben auf den Mittelplatz. Es strampelte mit den Beinen und quengelte um Schokolade.
    »Nicht jetzt!«
    »Aber, Mama, du hast doch gesagt …«
    »Sei jetzt mal ein bisschen ruhig, wir sind hier nicht allein.«
    Die Ermahnung beeindruckte das Mädchen nicht. »Du hast gesagt, wenn wir im Zug sind, kriege ich Schokolade!«, kreischte es.
    Die Mutter warf Stachelmann einen Blick zu, der um Verzeihung bat. Stachelmann lächelte sie an.
    Der Zug fuhr los. Die Mutter stand auf und holte den Koffer herunter. Sie war nicht kräftig, wusste aber, wie man Gepäckstücke bewegte. Sie nestelte an der Außentasche und zog schließlich einen Plastikbeutel hervor, es knisterte. Sie hielt ihn Stachelmann hin. »Es sind Schokoladestückchen.« Er dankte und lehnte ab.
    Die Kleine griff sich den Beutel und knisterte. Sie nahm ein Stück, wickelte es aus und steckte es in den Mund. Während sie kaute, spielte sie mit dem Beutel. Ihre Mutter blätterte in einer Frauenzeitschrift. Draußen schneite es weiter.
    Stachelmann schloss die Augen und lehnte sich zurück. Er versuchte das Knistern zu überhören, aber es gelang ihm nicht.
    Schließlich stand er auf und verließ das Abteil. Er folgte dem Pfeil zum Speisewagen. Dort fand er einen freien Stuhl an einem Zweiertisch, ihm gegenüber saß ein alter Mann und polkte in den Zähnen. Der Teller seiner Mahlzeit stand leer vor ihm. Der Kellner kam. »Hat es geschmeckt?« Er wartete die Antwort nicht ab, der Alte zog den Zahnstocher nicht aus dem Mund. Stachelmann schaute in den Schnee, hier lag mehr als in Lübeck. Die weiße Last drückte Äste nieder und krümmte Bäume. Der Kellner kam wieder, Stachelmann bestellte ein kleines Frühstück mit Kaffee, der Tee in der Bahn schmeckte ihm nicht. Während er wartete, war der Alte weiter mit seinen Zähnen beschäftigt. Hin und wieder trank er Wasser und drückte es im Mund hin und her, bevor er es schluckte. Stachelmann schaute hinaus, um es nicht zu sehen.
    Er war niedergeschlagen und zweifelte an seinem Unternehmen. Er stocherte auf gut Glück in einer Geschichte herum, die er kaum kannte. Oder auf gut Pech, wenn er auf den Mörder stieß. Der würde nicht sagen: Ich bin es, sondern versuchen, seinen Verfolger loszuwerden. Doch dann meldete sich wieder die Angst, noch einmal ins Gefängnis zu müssen, auf der Anklagebank zu sitzen und verurteilt zu werden. Vielleicht hat die Polizei den Mörder gefasst, wenn ich zurück bin aus Wein-heim? Dann war es eine Spazierfahrt. Aber er glaubte es nicht. Ihm schien der Mörder intelligent, gerissen und aggressiv zu sein, einer mit starken Nerven. Doch hatte er einen Fehler gemacht, als er das Päckchen schickte. Er muss eine Spur hinterlassen haben, ein Hautpartikel, ein Haar, womöglich sogar einen Fingerabdruck.
    Der Kellner servierte das Frühstück. Der Alte gegenüber

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