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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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kaufte Lebensmittel ein. Warum hatte er nur seinen Rucksack vergessen, das Gewicht der Plastiktüte schmerzte im Rücken. Zu Hause fand er das Haar im Türspalt, es beruhigte ihn. Er räumte die Lebensmittel ein, dann versuchte er Manfred Pintus zu erreichen.
    Er hatte doppelt Glück. Manfred Pintus hob ab und kam aus Thüringen. Er sei schon lange nicht mehr in Sömmerda gewesen, zweifle, ob er seine Heimat jemals wieder besuchen werde. Er war offen am Telefon, und Stachelmann fragte, ob er ihn besuchen dürfe. »Ja, gerne, Sie sind Historiker, das interessiert mich. Seien Sie gefasst, dass ich Ihnen ein Loch in den Bauch fragen werde.« Er hatte die Stimme eines freundlichen alten Herrn, der keinen Grund mehr hatte, sich über etwas aufzuregen. Die Stimme sagte Stachelmann, dass er umsonst in den Süden reisen würde, dieser Pintus komme als Mörder nicht in Frage. Aber dann dachte er an Leopold Kohn, den Mörder fast der gesamten Familie Holler, der war auch ein freundlicher alter Herr gewesen. Wenn ich den am Telefon gehört hätte, dann hätte ich ihn für einen netten Opa gehalten, nicht für einen Serienmörder. Du hast es mit einem perfiden, raffinierten, intelligenten Täter zu tun, der mit dir spielt. Wie hörte sich so einer an am Telefon? Vielleicht doch wie Manfred Pintus aus Weinheim.
    »Sind Sie noch dran?«
    »Entschuldigung, Herr Pintus, ich habe im Kalender geblättert. Was halten Sie von morgen?«
    »Sie haben es aber eilig. Wenn Sie wollen, ich bin immer da.« Er gab Stachelmann die Adresse. Sie stimmte überein mit dem Eintrag auf der CD-Liste.
    Er wählte die anderen verbliebenen Namen, aber da hatte er kein Glück. Dann rief er Ossi an.
    »Ich fahre morgen nach Weinheim, wenn ich eine Fahrkarte kriege. Das wollte ich dir nur gesagt haben, damit es nicht heißt, ich sei abgehauen. Übermorgen bin ich wieder zu Hause.«
    »Irgendwann kann ich dich nicht mehr schützen. Wenn meine lieben Lübecker Kollegen das mitkriegen, sitzt du im Schlamassel. Aber du machst ja sowieso, was du willst.«
    »Ich mache, was ich machen muss.« Und ich stochere im Dunkeln. Wenn ich Pech habe, muss ich alle Pintus aufsuchen. Und wahrscheinlich ist die Aktion ein Schuss in den Ofen. Aber was soll ich sonst tun?
    Am Nachmittag kaufte er sich im Bahnhof eine Fahrkarte nach Weinheim. Danach versuchte er wieder vergeblich, die anderen Pintus zu erreichen. Er packte eine Reisetasche und ging früh schlafen. Er wälzte sich im Bett, lag lange, aber schlief wenig. Er versuchte sich ein Bild zu machen, wer Pintus war. Ein alter Herr mit schlohweißen lockigen Haaren vielleicht, hinten ein bisschen länger, auf der Nase eine Brille mit dicken, runden Gläsern.
    Aber dann schalt er sich einen Dummkopf. Dieser Pintus in Weinheim an der Bergstraße konnte ein Mörder sein. Sein Mörder.
    ***
    Er fieberte dem ersten Treff mit Margarete entgegen. Es sollte in seiner Bude stattfinden, hier waren sie ungestört. Das Verfahren sei ein bisschen unüblich, hatte Heinz gesagt. Aber manchmal bringe es nur der kurze Dienstweg.
    Griesbach hatte eine Mappe von Unterlagen gesammelt, jedes einzelne Papier war läppisch, aber zusammen ergaben sie ein Bild. Heinz wollte das Historische Seminar an der FU kennen lernen. »Wer ist wer?«, hatte Heinz gesagt. »Präg dir das ein: Wer ist wer?«
    Der IM Willibald lieferte zum ersten Mal Informationen. Er hatte über jede Lehrkraft aufgeschrieben, was er herausbekommen hatte. Er fragte Kommilitonen, das war ja normal, man wollte wissen, ob man bei dem oder der ein Seminar oder eine Vorlesung besuchen könne. Welchen dieser Dozenten konnte man ansprechen auf eine Mitarbeit? Griesbach hatte keinen gefunden, den er für geeignet hielt. Da gab es zwar drei, vielleicht vier Lehrkräfte, die ihre linken Ansichten nicht verbargen, aber sie kritisierten nicht nur den Kapitalismus, sondern auch die DDR und die SEW. Einer mochte sogar Biermann. Die linken Feinde sind gefährlicher als die rechten, das hatte Heinz gesagt. Sie bekämpfen die DDR im Namen des Sozialismus, sie stiften Verwirrung. Sie glauben, der Sozialismus sei möglich ohne Diktatur. Aber der Sozialismus sei eineÜbergangsphase, die dauere länger, als Marx es vorausgesagt habe. Aber habe Marx nicht auch von der Diktatur des Proletariats gesprochen? Diese Kläffer sollten lieber die Klassiker lesen, statt Büttel des Kapitals zu spielen.
    Und dann hatte Griesbach Zeitungen der Fachschaft gesammelt, Flugblätter und sonstiges Papier. Er hatte sich

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