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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wahrzunehmen, was vorging um ihn herum.
    Endlich ging es los. Stachelmann schaute aus dem Fenster, aber er sah vor allem sein Spiegelbild, das verblasste, wenn der Zug an Laternen vorbeifuhr. In Hemsbach packte ihn wieder die Unruhe. Er dachte an den kleinen Mann und an Pintus, dessen Namen der Mörder vielleicht kannte. Wenn Pintus etwas geschah, war Stachelmann mitschuldig. Er hätte das Telefon untersuchen lassen sollen.
    Ob er Pintus anrufen sollte, um ihn zu warnen? Aber was sollte er ihm sagen? Da verfolgt mich vielleicht einer, vielleicht hat einer eine Wanze eingebaut in mein Telefon, vielleicht will der Ihnen etwas tun. Wenn dich einer anriefe und so eine wirre Geschichte erzählen würde, du würdest ihn für bescheuert halten. Und würdest du dich mit so einem treffen wollen? Was sollte er tun?
    Der Zug erreichte Weinheim-Hauptbahnhof. Stachelmann stieg aus und blieb in der Nähe der Waggontür stehen. Er wollte den Bahnsteig als Letzter verlassen, er glaubte, so beobachten zu können, ob ihm einer folgte. Aber wenn dem der Namen Pintus bekannt war, dann wusste er längst, wo er ihn fand. Trotzdem, aufpassen.
    Als der Bahnsteig leer war und der Zug losfuhr, ging Stachelmann zum Ausgang. Er mühte sich, dass es nicht auffiel, wie er in alle Richtungen schaute. Nirgendwo entdeckte er den kleinen Mann oder anderes Auffälliges. Er ging zum Taxistand und bat den Fahrer, ihn zu einem Hotel in der Nähe der Hauptstraße zu bringen.
    »Ich wüsste da eines, ist in der Nähe vom Schlosspark. Keine zehn Minuten zur Hauptstraße und schön ruhig. Meistens haben die was frei.«
    Stachelmann hatte den Badener Dialekt lange nicht mehr gehört. Es war ein vertrauter Klang und doch fremd. Das Hotel entsprach der Beschreibung des Taxifahrers. In seinem Zimmer wählte er die Nummer von Pintus und wurde ruhiger, als er dessen Stimme hörte. Es drängte ihn, Pintus zu warnen, aber stärker war die Furcht, sich lächerlich zu machen und umsonst gefahren zu sein. Werde nicht hysterisch, weil du einen Mann in der Bahn gesehen hast, der dir aus irgendeinem Grund aufgefallen ist. Lächerlich. Er erklärte Pintus noch einmal, warum er zu spät eingetroffen war, und Pintus war bereit, die Verabredung auf den kommenden Nachmittag, halb drei, zu verschieben.
    Stachelmann aß eine Kleinigkeit im Restaurant des Hotels. Manchmal schaute er sich um, die Unruhe war nicht völlig verschwunden. Aber er sah nichts Außergewöhnliches im fast leeren Speisesaal und begann sich für verrückt zu erklären. Ist ja kein Wunder, warst im Knast, hattest Besuch eines Verrückten, der dir am Ende eine CD geschenkt hat, und wenn du so weitermachst, wirst du wieder im Gefängnis landen, diesmal, weil du die Auflage des Haftrichters nicht befolgt hast. Du musst Ossi und Oppum deine Anschrift sagen, damit niemand behaupten kann, du seiest abgehauen. In seinem Zimmer sprach er Oppum aufs Band, wo er zu finden war, und Ossi hinterließ er eine Nachricht im Präsidium.
    Er legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Was mochte Pintus für einer sein? Wahrscheinlich einer, der ihm nicht weiterhelfen konnte. Die Fahrt war umsonst.
    In dieser Nacht schlief er schlecht. Die Matratze war ausgebeult und verschlimmerte die Rückenschmerzen. Die Tabletten halfen nicht viel. Er stand mitten in der Nacht auf, zog sich an und spazierte zum Schlosspark. Laternen spendeten funzliges Licht. Der Park lag unter einer weißen Decke, die Schneelast drückte die Bäume. Der Halbmond schickte fahles Licht durch Nebelfetzen. In der Ferne, oben, zwei Burgen auf zwei Odenwaldgipfeln, die Windeck, verfallen, aus dem Mittelalter, die Wachenburg, erbaut von Burschenschaftlern. Fehlt noch Graf Dracula, dachte Stachelmann. Er begann zu frieren, die Füße wurden kalt. Er schaute auf die Armbanduhr, es war halb fünf am Morgen. Er ging hinunter in die Stadt. Der Marktplatz fiel steil ab. Er musste vorsichtig gehen, es war glatt. Irgendwo grölte ein Mann. Aus einigen Fenstern fiel Licht, in der Stadt arbeitete eine Chemiefabrik, vielleicht die Frühschicht. Er war häufig in Weinheim gewesen, die Erinnerung kehrte zurück. Er lief die Hauptstraße entlang, vorbei an einem großen Gemüse-laden, in dessen hinteren Räumen Licht brannte. Müdigkeit und Kälte ließen seine Augen brennen. Wann gab es Frühstück im Hotel?
    Er ging zurück, nichts rührte sich, die Rezeption war nicht besetzt.
    Stachelmann legte sich angezogen aufs Bett und schloss die Augen. Dann klingelte der

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