Mit Blindheit Geschlagen
Reisewecker. Er war wieder eingeschlafen. Er bewegte alle Glieder, spürte den Schmerzen nach und stand auf. Nach der Dusche fühlte er sich wacher, aber schwach.
Er frühstückte schnell und ging zurück aufs Zimmer. Er spielte mit dem Gedanken, Anne anzurufen. Aber er würde sie wahrscheinlich stören. Als er die Eifersucht spürte auf Annes Sohn, begann er sich zu verspotten. Du machst dich zum Affen. Dann versuchte er sich auf das Gespräch mit Pintus vorzubereiten. Wieder überfielen ihn die Zweifel. Die Herumstocherei im Nebel bringt nichts. Aber es ist die einzige Chance, widersprach er sich. Ja, die einzige, als Leiche zu enden. Das Bild vom Plastiksack in seinem Kofferraum erstand vor seinem inneren Auge. Die Stiche im Körper, es muss furchtbar sein, erstochen zu werden. Er stellte sich das Messer vor, lang, dünn und spitz, die Einstiche waren nicht groß gewesen.
Er stellte den Wecker auf elf Uhr und legte sich aufs Bett. Vielleicht konnte er noch schlafen? Ein Rütteln an der Tür weckte ihn. Sie öffnete sich. Durch brennende Augen sah Stachelmann eine junge Frau in einer Schürze.
»Oh«, sagte die Frau. »Ich wusste nicht.« Sie schloss die Tür. Stachelmann schaute auf den Wecker, es war halb zehn. Er versuchte wieder einzuschlafen. Aber seine Ohren folgten den Geräuschen im Gang. Schlüssel klapperten, Türen wurden geöffnet und geschlossen, ein Staubsauger heulte und knallte gegen Türen und Wände.
Er stand auf, ging zum Empfangstresen und kaufte sich die Weinheimer Nachrichten. Als er zurück in sein Zimmer wollte, war die Tür offen. Drinnen heulte der Staubsauger. Er fluchte leise. Er stieg die Treppe hinunter und setzte sich an einen Tisch im Speisesaal. Eine Frau kam.
»Wir decken gleich fürs Mittagessen auf.«
Stachelmann verstand und verließ den Speiseraum. Er setzte sich in die Sitzecke gegenüber dem Tresen. Die Hoteltür ging auf, ein kalter Wind blies in den Vorraum. Ein Paar schleppte drei große Koffer und zwei Taschen hinein. Sie hatte blond gefärbtes Haar, und die wachsbleiche Haut verriet, dass Schön
heitschirurgen das Altern nicht verhinderten. Er war groß und fett, etwas älter als sie, vielleicht fünfundsechzig Jahre alt. Um sie herum hechelte ein kleiner Hund. Er rannte zu Stachelmann und schnüffelte an dessen Füßen. Dann knurrte er ihn an. »Komm, Schatzi«, sagte die Frau. Der Hund knurrte weiter.
Stachelmann spürte den Zorn in sich. »Können Sie bitte Ihren Hund an die Leine nehmen«, sagte er.
Die Frau musterte ihn mit einem verächtlichen Blick.
»Der ist doch ganz lieb und tut niemandem was. An der Leine fühlt er sich nicht wohl.«
»Und ich fühle mich nicht wohl, wenn er mich anknurrt«, sagte Stachelmann.
Der Mann stand am Tresen und kehrte Stachelmann den Rücken zu.
Die Frau sagte: »Komm, Schatzi.« Dann drehte sie sich um zu ihrem Mann.
Der Hund knurrte weiter.
Stachelmann stand auf, das Knurren wurde lauter. Er ging zur Treppe, der Hund blieb stehen und kläffte Stachelmann hinterher.
»Aber nicht doch, Schatzi«, hörte er noch.
Das Zimmermädchen machte das Bett, als Stachelmann eintrat. »Ich bin gleich fertig«, sagte sie.
Ich auch, dachte Stachelmann.
Als sie gegangen war, wählte er Oppums Nummer. Er sorgte sich, die Polizei könnte sich nicht mehr an die vage Absprache mit Ossi halten. Aber Oppum hatte wieder eine Verhandlung, die Frau am Hörer versprach, ihm Stachelmanns Hotelanschrift zu geben. »Doppelt gemoppelt hält besser«, sagte sie.
Was für ein blöder Spruch, dachte Stachelmann.
Er las gelangweilt in den Weinheimer Nachrichten. Immerhin berichteten sie von Zugverspätungen, vor allem in Norddeutschland. Sein Horoskop riet ihm, an diesem Tag nichts zu unternehmen, alles würde schief gehen. Das hatte er sich schon gedacht. Er legte sich aufs Bett und versuchte zu schlafen. Es gelang ihm nicht.
Er verließ das Hotel, bummelte im Schnee durch die Innenstadt, die bei Tageslicht freundlicher aussah. In einem italienischen Restaurant aß er eine Kleinigkeit und trank einen doppelten Espresso, um die Müdigkeit zu vertreiben. Der verbündete sich gleich mit der Anspannung, und beide beunruhigten Magen und Darm. Die Müdigkeit aber war zäh.
Er lieh sich im Restaurant einen Stadtplan und fand gleich die Straße, in der Pintus wohnte. Erstaunlicherweise war sie in der Nähe des Hotels. Nachdem Stachelmann noch etwas Zeit vertrödelt hatte, konnte er sich endlich auf den Weg machen.
Pintus wohnte in einem Bungalow
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