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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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außer dem Politbüro. Irgendwo las ich, Honecker habe den Unsinn geglaubt, den er sich selbst einredete oder sich einreden ließ. Kaum fassbar, aber vielleicht war es wirklich so. Mich widerte das Lügen an. Verstehen Sie bitte, das ist unerträglich.«
    Stachelmann fand den Mann erstaunlich offen. »Aber ich verstehe auch, es war nicht Ihr einziger Grund.«
    »Ich hatte einen Anlass, dieser Kongress in Mainz. Da habe ich einem westdeutschen Kollegen, Dr. Siebert, ich kannte ihn länger, mein Leid geklagt. Natürlich habe ich ihm nicht erzählt, dass wir diesen Chip gestohlen hatten, und das hat mich noch wütender gemacht. Ich log ja auch, die hatten mich zum Lügner gemacht. Ich schweife wieder ab. Siebert, er kam aus München, der hat mir gesagt, ich solle doch im Westen bleiben. Ich bin dummerweise nicht geblieben, dabei war meine Frau lange tot, und Kinder hatten wir keine. Es war eine Frage des Stolzes, nicht einfach alles hinzuwerfen. Aber als ich wieder zu Hause war, begriff ich, der Stolz war falsch, er machte mich zum Betrüger. Doch dann war es zu spät. Sie glauben nicht, wie oft ich nachts wach lag und mich verfluchte. Denn, als hätten die etwas erfahren von meinem Gespräch mit dem Münchener Kollegen, plötzlich war ich nicht mehr Reisekader. Nun fuhren andere, solche mit Familie, die natürlich in der DDR bleiben musste.«
    »Sie wissen nicht, wer dafür verantwortlich war, dass Ihnen der Status eines Reisekaders entzogen wurde?«
    Pintus schüttelte den Kopf. Es schien so, als wäre er immer noch verletzt. »Solange ich ins NSW …«
    »NSW?«
    »Ins nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet. Solange ich da hinreisen durfte, bildete ich mir ein, jederzeit im Westen bleiben zu können. Herr Siebert hatte mir versprochen, bei der Suche nach einer Anstellung zu helfen. Aber als ich nicht mehr reisen durfte, packte mich die Verzweiflung. Erst überlegte ich mir, eine Straftat zu begehen, um aus dem Gefängnis freigekauft zu werden. Aber dann besuchte mich Dr. Siebert und erzählte von Fluchthelfern. Um die Kosten solle ich mir keine Sorgen machen, wenn ich erst mal drüben sei, hätte ich die schnell bezahlt. Informatiker seien gesuchte Leute und verdienten eine Menge Geld.« Es war, als redete er sich etwas von der Seele. Pintus schaute aus dem Fenster und erinnerte sich.
    »Und Dr. Siebert hat Ihnen den Tipp mit diesen Fluchthelfern gegeben?«
    »Ja, der kannte einen, und dieser kannte einen anderen und so weiter. Ich habe nicht lange nachgedacht, ich war verzweifelt. Herr Siebert hat mir ein Kennwort genannt, Südsee. Eines Tages erschien ein Herr bei mir und nannte das Kennwort. Er fragte, ob ich immer noch ausreisen wolle. Ich wollte. Daraufhin sagte er mir, ich solle schauen, dass ich einen Ferienplatz in Bulgarien bekäme.«
    »Nicht in Rumänien?«
    Pintus schaute ihn verwundert an. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Derjenige, der mir Ihren Namen nannte, sprach von Bukarest.«
    »Da hat er sich geirrt. Vielleicht haben die einen anderen über Rumänien rausgeschmuggelt. Wirklich, es war Bulgarien. Von Bulgarien aus würde ich mit einem falschen Pass in den Westen ausreisen. Sobald feststehe, dass ich diesen Ferienplatz hätte, solle ich Dr. Siebert einen Brief schreiben, in dem das Kennwort vorkomme. Dann würde der Kurier mich wieder besuchen und alles absprechen.«
    »Wissen Sie, wie der Kurier hieß?«
    »Nein. Ich weiß nicht mehr, welchen Namen er genannt hat.
    Es dürfte ein falscher gewesen sein.«
    »Wie sah er aus?«
    »Das war so ein kleiner, drahtiger Mann, kaum Haare auf dem Kopf. Er berlinerte stark.«
    Stachelmann ärgerte sich, er hatte Frau Ortlep nicht um eine Beschreibung des Kuriers gebeten. Er würde es nachholen. Wenn sich herausstellte, dass in allen gescheiterten Fluchtunternehmen derselbe Kurier mitwirkte, war das womöglich die erste Spur.
    »Erinnern Sie sich an einen Zakowski, auch Zacki genannt?«
    Pintus überlegte. »Nein, wenn Sie den Kurier meinen, der nannte sich anders. Sie haben offensichtlich einen Verdacht.«
    Stachelmann überlegte, ob es ein Fehler wäre, Pintus von seinem Verdacht zu berichten. Sei nicht zu vertrauensselig, ermahnte er sich. Aber dann sagte er: »Wenn ein Fluchthelfer bei allen gescheiterten Unternehmen dabei war, aber nie eingesperrt wurde, dann muss man darüber nachdenken.«
    »Sie glauben, dieser Zakowski könnte der sein.«
    »Das weiß ich nicht. Er hat bei einer Sache mitgemacht, die ging schief, aber er blieb unbehelligt.«
    »Ich weiß

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