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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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die
Geißelung Christi
, die du unvollendet zurückgelassen hast, fertigzustellen.»
    Caravaggio stimmte mürrisch zu. Für das Bild für die Kirche von San Domenico hatte es ihm an Einfällen gemangelt. Er warfroh, es hinter sich gelassen zu haben, als er das Schiff nach Malta genommen hatte.
    «Alle wollen etwas von dir, nicht wahr?», sagte Costanza.
    Und du, was willst du?
, dachte er.
    Sie hob die Hand, streckte sie nach ihm aus, krümmte dann aber die Finger und legte die Faust wieder in ihren Schoß. Sie stand auf und ging langsam um den Brunnen herum. «Sieh dir diese Balustrade an. Die Wappen einiger der mächtigsten Familien in italienischen Landen sind darin eingraviert. Die Carafa, die Stadera, Morra, Capua, Orsini. Diese Familien schützen dich, Michele, aus Gefälligkeit mir gegenüber, weil ich mit allen verwandt bin.»
    Am braunen Grund des Brunnens flitzte ein Fisch hin und her.
    «Wir bringen dich wieder nach Rom, zurück zu Lena.» Costanza hielt ihm einen der Briefe entgegen. «Er ist von ihr. Wenn du ihr antwortest, erinnere sie daran, dass Boccaccio in Neapel seine große Liebe Fiammetta traf. Der Dichter sagte, dass die Liebe sinnlich, verboten, süß und schwierig sein muss, um sie wirklich genießen zu können.»
    «Er kannte aber nicht die andere Seite.» Caravaggio drehte den Brief um. Auf der Rückseite stand über dem Siegel Lenas Name. In seine Freude mischte sich Misstrauen. Nur wenige wussten, wo er zu finden war, und Lena war Analphabetin. Der Brief konnte eine Falle sein. Seine Hände zitterten.
Sie lebt, und ich darf vielleicht hoffen
.
    «Auch ich brauche dich, Michele. So, wie sie dich braucht.» Costanzas Hals lief rot an. «Um Fabrizios willen.»
    «Und nur seinetwegen?»
    Sie drehte den Ehering, den sie von ihrem längst verstorbenen Mann bekommen hatte. Ihre Stimme wurde lauter, klang heftig. «Du hast stets das Brot meines Hauses gegessen. Verlange ich jetzt zu viel von dir?»
    «Ihr verlangt nichts, Herrin, obwohl ich Euch jeden Dienst erweisen würde.»
    «Bruder Antonio Martelli schreibt mir aus Malta.» Sie hob den anderen Brief hoch, als wäre er eine Auflistung aller Schande, die sie je empfunden hatte. «Ein Matrose, der in einer Jolle aus Sizilien zurückruderte, wurde ein paar Tage nach deiner Flucht aus dem Kerker der Ritter abgefangen. Er war ein Besatzungsmitglied der
Capitana
, Fabrizios Flaggschiff. Der Matrose wurde von einem Ritter namens Roero geschnappt. Unter Roeros Folter lebte er nicht mehr lange, aber bevor er starb, gestand er noch, dass Fabrizio dich aus der Guva befreit hat.»
    «Fabrizio.» Er schlug die Hände vors Gesicht. «Was wird nun aus ihm?»
    «Wenn dieser Ritter Roero den Ehrenrat angerufen hätte, sagt Bruder Martelli, dann wäre Fabrizio für einige Monate suspendiert worden. Aber Roero hat Fabrizio zusammen mit ein paar Freunden verhaftet. Erinnerst du dich an einen Bruder Giulio?»
    «Eine Art Spaßvogel.»
    «Der Spaß ist ihm inzwischen vergangen. Fabrizio weigerte sich, widerstandslos mitzukommen. Er durchbohrte Bruder Giulio mit seinem Rapier und tötete ihn.» Costanzas Stimme ging in ein Schluchzen über. «Mein Sohn schmachtet in dem Kerker, aus dem zu fliehen er dir geholfen hat.»
    Caravaggio dachte an die Strafe, die auf die Ermordung eines Ritters stand. Der Sack, zugebunden und ins Meer geworfen.
    Im selben Augenblick, da Lena ihm mit ihrem Brief wieder näherkam, schwebte sein ältester Freund in tödlicher Gefahr. «All meine Gebete, Herrin, sollen Fabrizio gelten, und all meine Werke auch.» Er starrte zur Halbinsel Sorrento hinüber, als könnte er die Leiche seines Freundes in der von Malta kommenden Strömung treiben sehen. Draußen in der Bucht verschwammendie beiden zerklüfteten Landzungen der Insel Capri in einem dunstigen Blau.
    ∗
    Auf der Straße fühlte Caravaggio sich so herumgestoßen, als ob das Menschengewimmel in Neapel blind wäre und sich nur tastend vorwärtsbewegte. Zwei Frauen stritten sich an einem Gemüsestand auf der Hügelkuppe, über die man zum spanischen Palast gelangte. Kinder mit laufenden Nasen und geröteten Triefaugen balgten sich zwischen den Marktständen. Ihre Knie waren aufgeschlagen und verschorft und ihre Körper mit einer Schmutzschicht überzogen, als hätte irgendein Moralapostel versucht, Kleider aus Matsch über ihre Nacktheit zu pinseln. Die Leute waren verwildert, reagierten verängstigt auf jede Bewegung und Annäherung, jederzeit bereit, Schläge auszuteilen und

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