Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
Dann sah er direkt vor sich zwischen den Körpern der Männer Stahl aufblitzen. Mit breitem Grinsen und blutigen Zähnen sprang ihm Onorio zur Seite.
«Ranuccio hat mich in den Mund getroffen.» Onorio war so begeistert wie ein Kind, das mit seinem Vater rangelt. «Aber ich habe ihn ein bisschen aufgeschlitzt.» Er hielt seinen Dolch hoch. Sie verdrückten sich aus dem Tumult und lehnten sich andie gewaltige Schale des Tritonenbrunnens. Onorio betupfte sich den Mund mit einem weißen Taschentuch und spuckte ins Becken.
«Deine Wange muss von innen verletzt sein», sagte Caravaggio.
Nach kurzer Zeit war der Kampf vorbei. Ranuccios Brüder zogen ihn aus dem Handgemenge heraus. Er blutete an der Hand und hatte sich die Wunde mit einem Hemdzipfel verbunden. Er grinste über das Blut auf Onorios Taschentuch. Ranuccio zeigte mit der verletzten Hand auf Caravaggio und riss vor seinen Kumpanen ein paar Witze. Sie grinsten und trotteten an der Kirche San Giacomo vorbei. Caravaggio dachte, dass Ranuccio noch viel lauter gelacht hätte, wenn er seine Leiche, an den Brunnen gelehnt, erblickt hätte.
∗
Ein Saaldiener geleitete Caravaggio durch den breiten, hohen Korridor des Quirinalpalastes zu Scipiones Gemächern. In der Luft hing der Geruch von feuchtem Putz.
«Dieser Geruch …»
Sie erreichten eine geöffnete Doppeltür. «Maestro Reni aus Bologna hat die Kapelle der Verkündigung mit einem Fresko ausgeschmückt. Das kann man riechen.»
Das Fresko war fast fertig. Zwei fette Putten schwenkten ein Weihrauchfass. Die Jungfrau lag schwanger auf dem Bett. An der Tür hielt Josef ein paar bärtige Gesellen zurück. Wie ein verwaschener Raffael war alles in Pastelltönen ausgeführt. Caravaggio verzog das Gesicht. Er war sich sicher, dass es allen gefallen würde.
Der Saaldiener ging zur ersten Bankreihe, wo Scipione im Gebet kniete. Er erhob sich und kam, den Rosenkranz schwenkend, Caravaggio entgegen. Der Künstler verneigte sich tief.Scipione entzog ihm seine Hand, kaum dass er sie hatte küssen können. Seine Wangen waren von Wein gerötet.
Der Kardinalnepot legte Caravaggio die Hand auf die Schulter und führte ihn aus der Kapelle. Es war nur eine leichte Berührung, doch schien sie wie eine unwillkommene Liebkosung tief unter die Haut zu gehen. «Haltet Euch von den Tomassonis fern, Maestro Caravaggio.»
«Hochwürdigster Herr?»
«In ihrem Stadtteil sind sie mächtig. Das macht sie für mich sehr nützlich. Wie ich höre, gibt es Streit zwischen Signor Ranuccio Tomassoni und Euch.»
«Sire, das ist unwichtig. Eine Sache von …»
«Zehn Scudi. Ich weiß. Aber jetzt ist auch Blut geflossen – auf der Piazza Navona.»
Caravaggio geriet in Versuchung zu sagen, dass nicht er Ranuccio verletzt hatte, aber er zögerte, weil er weder Ausreden vorbringen noch zugeben wollte, dass er an dem Handgemenge auf der Piazza beteiligt gewesen war.
«Es ist unwahrscheinlich, dass Ihr und Ranuccio einen solchen Konflikt durch eine höfliche Entschuldigung beilegt. Ich wünsche jedoch, dass Ihr diesen Streit beendet.»
«Wird Ranuccio …?»
«Das wird auch Signor Ranuccio mitgeteilt werden.» Scipione ging zum Fenster, von dem aus man den Hof des Papstpalastes überblicken konnte. «Ihr müsst untertauchen. Die Ordnungshüter müssen so tun, als würden sie diejenigen verhaften, die an dem Kampf beteiligt waren. Aber erst, wenn Ihr das Porträt des Heiligen Vaters vollendet habt. Danach wünsche ich einige Fresken in meinem neuen Palazzo, Maestro – für die äußere Loggia.»
Ein Fresko? Da könnte er mich genauso gut darum bitten, ihm einen hübschen Schal zu nähen oder ihm die Haare zu schneiden
. «Warum beauftragt Ihr nicht Maestro Reni damit?», sagte er und legte so viel Verachtung wie möglich in den Titel des Künstlers.
«Natürlich könnte ich ihn fragen. Diese Kapelle hat er gar nicht schlecht gemacht. Und ich habe
Euch
noch gar nicht gebeten, es auszuführen. Aber warum nicht?»
«Ich arbeite in Öl.»
«Fresko ist die größte Herausforderung an die Fähigkeiten eines Künstlers. Man muss das Gemälde fertigstellen, bevor der Putz auf der Wand getrocknet ist. Es bleibt keine Zeit für Korrekturen oder Übermalungen. Ist dem nicht so?»
«Auf einem Fresko hat man keine Macht über das Licht.» Indem er über seine Arbeit sprach, schwand Caravaggios Abneigung gegen die banalen Klecksereien in der Kapelle und er wurde ausführlich. «Eure Loggia ist zweifellos wunderschön, Eure Durchlaucht. Das
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