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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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malt?»
    «Höchstens drei bis vier Stunden. Täglich, meine ich. Du musst dann immer wieder kommen.» Er erwiderte ihren Blick. Sie spürte, wie ihre Gesichter sich näher kamen, die langsame, betörende Annäherung an einen Kuss. Sie schmiegte sich an ihn. Die Kaldaunen rutschten zur Seite, und der Korb kippte. Caravaggio machte einen Ausfallschritt, damit die Innereien nicht auf den Boden fielen, und stimmte schüchtern in ihr Lachen ein.
    Als sie an Lenas Haus ankamen, legte Anna für einen
Puntarelle
-Salat Anchovis zum Trocknen aus. «Hast du die Sprossen mitgebracht, mein Mädchen?»
    «Nein, die habe ich vergessen, Mama. Ich gehe zurück und hole welche.»
    «Säubere lieber erst mal die Kaldaunen.» Die alte Frau sah Caravaggio und wischte sich die Hände an der Schürze ab. «Maestro, wie freundlich von Euch, vorbeizuschauen.» Sie knickste. Er sah Lena an. Sie lächelten beide über die Förmlichkeit ihrer Mutter.
    Lena packte die grauen Kaldaunen aus und klatschte sie aufden Tisch. «Ich muss zur Arbeit», sagte sie. «Anders als Ihr muss ich nicht lange auf einen Auftrag warten.»
    «Ich habe nicht gesagt, dass ich lange warten
muss
. Ich warte nur auf den richtigen.»
    Er trat bereits durch die Tür auf die Straße hinaus. Sie krempelte die Ärmel auf. «Vielleicht hätte ich auch Künstlerin werden sollen.»
    Er reckte fragend das Kinn.
    «Ich neige auch dazu», sagte sie, «auf den Richtigen zu warten.»
    ∗
    Costanza Colonna beschloss, Caravaggio so lange zu verstecken, bis die päpstlichen Häscher ihre Razzia nach den Streithähnen von der Piazza Navona beendet hatten. Sie ließ ihn in ihre Gemächer im Palazzo Colonna kommen und erklärte ihm, er würde ganz in der Nähe in der Wohnung ihres Sohns Muzio Unterschlupf finden.
    Caravaggio ging vor ihr auf und ab und kratzte sich den Bart.
    «Was ist los, Michele?», fragte sie.
    Er wiegte den Kopf hin und her. «Herrin …» Er zuckte mit den Schultern. «Don Muzio?»
    «Es muss einfach und schnell gehen, Michele. Der Kampf hat auf einem der wichtigsten öffentlichen Plätze Roms stattgefunden. Blut ist geflossen. Die Wachen wollen ein paar Verhaftungen vornehmen. Sie haben dich in Ruhe gelassen, bis du die letzten Pinselstriche am Porträt des Heiligen Vaters gemacht hast. Aber jetzt musst du dich verstecken.»
    «Aber Don Muzio …»
    Costanza erinnerte sich an die Spannungen zwischen ihrem ältesten Sohn und Michele. Es war schon viele Jahre her, dassder ältere Junge Michele wegen seiner niederen Geburt aufgezogen hatte. Jetzt waren sie erwachsen. Ihre Verpflichtungen ihr gegenüber würden gewiss schwerer wiegen als die alten Streitigkeiten.
    «Ich würde lieber das Risiko eingehen», sagte Caravaggio.
    Costanza senkte die Hand auf den weißen Lederbezug des Armstuhls, auf dem sie saß.
Warum nehmen Männer außer ihrer Ehre nichts ernst?
Männer blieben immer in ihren Kindheitsbeziehungen gefangen. Michele würde durch die Sticheleien ihres Sohnes immer noch so verletzt werden wie damals, als sie noch Jungen in ihrem Palast waren. Pestwaise, so hatte Muzio ihn genannt. Nachdem sie nach dem Tod ihres Mannes Marchesa geworden war, hatte die Lust ihres ältesten Sohns, anderen gegenüber seine Überlegenheit auszuspielen, keineswegs nachgelassen. Immer wenn sie sich trafen, reizte er Fabrizio, und Michele war noch weitaus verletzbarer.
    Caravaggio ließ den Blick durch den Raum schweifen, als misstraute er dem Schweigen.
Ist er so gehetzt?
, fragte sie sich.
Jetzt sehe ich, dass er die ganze Zeit hilflos gewesen ist.
Ihr Mann, Muzio und sogar die Diener hatten ihn stets daran erinnert, dass er in ihrem Haus ein Außenseiter war.
Nur Fabrizio und mir war er willkommen. Aber die Liebe, die wir ihm entgegenbrachten, hat seine innere Wut nicht besänftigt.
    «Don Muzio und ich, Herrin, haben noch eine Rechnung miteinander offen», sagte Caravaggio.
    «Wie meinst du das?»
    «Erinnert Ihr Euch noch, im Oratorium …?»
    «Aber das ist doch schon zweiundzwanzig Jahre her.»
    Er zuckte die Schultern.
Muzio hätte es auch nicht vergeben
, dachte sie. Bei ihrem letzten Zusammentreffen hatte ihr Sohn Michele gehänselt, als sie im Oratorium der Palastkapelle in Caravaggio gespielt hatten. Fabrizio hatte ihn verteidigt, aber Muzio hatte ihnen schreckliche Sünden wider die Natur vorgeworfen. IhrMann hatte es aus dem Kreuzgang mit angehört. Er hatte Fabrizio einen furchtbaren Schlag auf den Kopf und einen Tritt in den Hintern gegeben, weil er glaubte, dass

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