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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Mann malen wollte, der Strümpfe ohne Löcher anhätte und eine Jacke, die nicht mit Ölfarbe befleckt wäre, würde der Heilige Vater ihn vielleicht als Schwindler hinauswerfen.
«Ihr habt da Farbe auf Eurem Kinn.» Sie drehte eine Strähne seines schwarzen Barts zwischen Zeigefinger und Daumen und strich mit den Fingern zur Bartspitze, aber dadurch verfärbte sich die ganze Strähne gelb. «Sie ist nicht weggegangen.»
    «Geht auch gar nicht. Wenn man Ölfarbe in die Haare oder auf die Haut bekommt, kann man sie auch gleich da lassen. Man kann versuchen, sie wegzuwischen, aber dann verteilt man sie nur und reibt sie noch tiefer ein.»
    «Ich wette, dass ich Euch sauber bekäme.» Ihre Keckheit ließ ihn lachen.
Befreit
, dachte sie,
aber auch amüsiert
. «Ihr habt es Euch nicht anders überlegt? Dass ich Modell stehe?»
    Er schüttelte den Kopf und sog die Lippen nach innen. «Lena, es kann sein, dass ich dich für eine Weile nicht treffen kann. Ich muss mich verstecken. Die Ordnungshüter …» Sie wartete darauf, dass er sie ansähe, und lächelte bereits kokett, um ihn zu ermutigen. Aber er starrte in den Schmutz zu seinen Füßen.
    «Und außerdem habe ich dich schon in der Pose gesehen, in der ich dich malen werde, sobald ich mich wieder frei bewegen kann.» Er schloss die Augen. «Ich habe dich als die Jungfrau gesehen. Als du mit Domenico vor eurer Tür standest. Und dann wieder, als du mit ihm gespielt hast, seine Füße auf deinen.»
    «Das klingt eher nach mir, nicht nach der Jungfrau.»
    «Du wirst schon sehen», flüsterte er. «Es gibt keinen Unterschied.»
    Er ist nicht wie die anderen aus dem Ortaccio. Er ist nicht nur hinter meiner Ehre her.
Verständnis und Staunen erfüllten ihre Brust wie die Wärme eines Kohlebeckens.
Er sieht wirklich die Madonna in mir
.
    «Ich muss natürlich auf den richtigen Auftrag warten.» Er blickte auf und sah das Staunen auf ihrem Gesicht. «Was ist?»
    Sie errötete. «Nichts. Fahrt fort.»
    «So arbeite ich eben, verstehst du? Jemand, ein Kardinal wie del Monte zum Beispiel, bezahlt mich, damit ich für ihn ein Gemälde anfertige, und erst dann suche ich mir die Modelle für das Bild.»
    Sie wippte auf den Fersen, während sie auf eine Lücke im Strom der Kutschen warteten, um den Corso zu überqueren.
Wenn er in mir die Madonna sieht, was sehe ich dann in ihm?
Er trug einen Degen und wohnte in Roms gefährlichstem Viertel. Zweifellos pflegte er Umgang mit schlechten Menschen – alle Künstler taten das. Aber er war sanft; das konnte sie spüren.
Deshalb ist er zu mir gekommen. Ich war auch nie so wie die anderen Mädchen von hier. Wir sind anders, er und ich
.
    Sie verlor sich wie in einem Traum. Er fasste sie am Arm, um mit ihr über die Straße zu gehen, und sie machte einen Satz, als sei sie aus dem Schlaf gerissen worden. «Du kannst dich auf mich verlassen», sagte sie, «während du auf einen Auftrag wartest.»
    «Was wird dein Verehrer, der Notar, dazu sagen?»
    Sie blickte zur anderen Straßenseite. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sich an den päpstlichen Notar erinnern würde, der jede Woche vorbeikam und sie bedrängte, ihn zu heiraten. Sie hätte ihm gern erklärt, dass der Mann zwanzig Jahre älter als sie war, dass sie seine Arroganz hasste und seine Anmaßung, sie würde ihn wegen seiner Stellung und seines Reichtums heiraten. Jetzt war es schwer, dafür Worte zu finden. Selbst für sie war es schwierig, ihre Abneigung zu verstehen. Über die Zuneigung des Mannes hätte sie eigentlich froh sein sollen. Sie war nur eine Dienstmagd in einem Palast, die ihr Einkommen dadurch aufbesserte, dass sie auf der Piazza Navona Gemüse verkaufte, und er war ein Angestellter desHeiligen Vaters. Der Notar hätte versuchen können, ihre Ehre für eine Nacht zu kaufen. Dass er es nicht getan hatte, war vielleicht einer der Gründe dafür, dass sie ihn nicht mochte. Das wäre immerhin ehrlicher gewesen als die Großspurigkeit, mit der er erklärte, sie nur unter den von der Kirche abgesegneten Bedingungen besitzen zu wollen. In seinen Erklärungen spürte sie die Geringschätzung. Indem er es ostentativ ablehnte, sie zu kaufen, ließ er durchblicken, davon überzeugt zu sein, dass sie käuflich war. Wie die meisten Männer sah er in einem armen Mädchen lediglich eine Hure, die noch keinen Zuhälter gefunden hatte.
    «Er ist nur ein Bekannter meiner Mutter.» Sie winkte ab. «Wie lange muss ein Modell in der gleichen Pose stehen, wenn Ihr

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