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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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«Willst du wirklich einen Spaziergang machen?»
    Er schaute auf ihre Brüste, biss sich auf die Lippen und nickte.
    «Führ mich dorthin, wo es dir gut gefällt», sagte sie. «Ich möchte mehr über dich wissen.»
    «Das wird nicht lange dauern. Ich bin ein ganz einfacher Mann.»
    «Da erzählt man sich aber etwas anderes.»
    «Was erzählt man sich denn?»
    Sie vollführte mit dem Finger eine Kreisbewegung an ihrer Schläfe, und beide lachten.
    Er ging mit ihr auf die Piazza Farnese. An allen Ecken des Platzes lungerten Meuchelmörder herum, bereit zum Kampf. Sie dehnten die Finger in ihren Handschuhen und befingertendie Griffe ihrer Schwerter, als könnten sie sonst diese mehr als einen Meter zwanzig langen Klingen verlieren, ohne es zu bemerken.
    Ausnahmsweise gestattete Caravaggio sich den Glauben, dass ihn die in der Luft liegende Spannung nichts anging. Er führte Lena unters Tonnengewölbe des Portals zum Palazzo Farnese. Sie schaute zu den in die Deckenkassetten eingravierten Lilien empor und berührte an der Seite die Säulen aus Rotmarmor, die aus den Bädern des Kaisers Caracalla geraubt worden waren. «Warum bringst du mich hierher? Sucht man hier eine Putzfrau?»
    «Ich will dir zeigen, dass ich Gründe dafür habe, etwas verrückt zu sein.» Er drehte seinen Finger an der Schläfe, wie sie es zuvor getan hatte.
    «Du musst dich nicht dafür entschuldigen, aber ich will dir gern zuhören.»
    Sie gingen zu einer breiten, überdachten Treppe. Auf der anderen Hofseite lungerte ein weiterer Trupp von Schwertkämpfern mit zur Schau gestellter Lässigkeit an den massiven Säulen herum. Am Fuß der Treppe ergoss ein Brunnen seine Fontäne in einen antiken Sarg. Lena spritzte Caravaggio nass. Sie kicherte über ihren Übermut.
Sie ist es nicht gewohnt, sich ungezwungen in einem Palast zu bewegen
, dachte er. Lachend jagte er sie die Treppe hoch.
    Am Ende der Treppe befand sich eine Galerie, in der Gemälde der größten Meister des vergangenen Jahrhunderts hingen. Wenn Caravaggio früher hier gewesen war, hatten immer einige Herren mit ihren Damen die Kunstwerke bewundert. Jetzt war der lange Flur jedoch leer. Die Schwertkämpfer von der Piazza hatten die Kunstliebhaber vergrault. Eine düstere Vorahnung überschattete seine Fröhlichkeit.
    «Wer ist denn dieser kalte Fisch?» Lena lächelte.
    Das Porträt eines Kardinals, distanziert und unnahbar, der seinen dünnen Hals reckte.
    «Alessandro Farnese, gemalt von Maestro Raffael. Siehst du, wie sein Gesicht aus dem Bild herauszuragen scheint? Damals war das etwas Neues. Man bekommt das Gefühl, mit dem Gemälde zu sprechen, mit dem Mann persönlich.»
    «Ich glaube nicht, dass mir das, was er zu sagen hat, gefallen würde.»
    «Hier ist er noch einmal.» Er ging zum nächsten Gemälde. Ein auf dem Thron zusammengesunkener Pontifex, dessen Neffen ihm die Ehre gaben. «Jetzt ist er älter. Er ist Papst Paul III. geworden. Es ist von Maestro Tizian. Siehst du, wie er alles in Rottönen gemalt hat?»
    «Der Heilige Vater sieht aus wie ein Tier, verschreckt und zugleich bereit, plötzlich loszuschlagen.»
    «Wenn du genau hinsiehst, sehen sie alle so aus.»
    «So siehst du aber nicht aus.»
    «Du kennst mich ja kaum.»
    Sie tippte ihm mit dem Finger auf die Nase, machte einen Schritt vorwärts und zeigte auf eine Jungfrau mit Kind und der heiligen Anna samt Täufer, zu ihren Füßen eine rundliche Katze. «Das gefällt mir.»
    «Es ist von Giulio Romano, einem Schüler Maestro Raffaels. Er hat die Komposition von Maestro Leonardo übernommen. Damals fingen alle Künstler damit an, die besten Elemente derjenigen, die vor ihnen gearbeitet hatten, einfach zu kopieren. Die Madonna ist sehr gut gemacht, aber ein bisschen hohl, oder?»
    «Die Katze ist das Beste.»
    «Dann sollten wir es
Die Madonna der Katze
nennen.»
    Sie schnurrte.
    Er deutete mit ausgebreiteten Armen auf die Galerie. «All diese Werke stecken voller Symbole. Sie erzählen nicht nur einfach eine Geschichte. Man muss die Bedeutung der Weintrauben in den Händen des Täufers kennen, um
Die Madonna der Katze
zu verstehen. Man kann es nicht einfach so für sich nehmen.»
    «Woher soll ich wissen, was diese Dinge bedeuten?»
    «Die Künstler und die Männer, die Gemälde kaufen, scheren sich nicht um
dich
. Komm, ich will dir einen Mann zeigen, der es für alle einfacher machen will.»
    Sie gingen an der Loggia entlang. Er schaute in den Hof und stellte fest, dass noch mehr Schwertkämpfer aus dem Garten

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