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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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in Glorie neben Ihrem Sohn thronen; sie war tot, und die Menschen, die sie umgaben, trauerten wie Ungläubige.
Wann wird er hier sein?
, fragte sich der Kardinal.
Wie viele Tavernen müssen meine Diener nach ihm absuchen?
Er träufelte noch ein paar Parfümtropfen auf seinen Spitzenkragen und sog den Duft ein.
    Caravaggio betrat schwankend das Arbeitszimmer. Offensichtlich kostete es ihn einige Anstrengung, aufrecht zu stehen. Seine knielangen Pantalons waren bestäubt mit Kalk, den die Wirte in den Abtritten der Tavernen ausstreuten. Sein Wams war mit Olivenöl und Bratensoße beschmiert. Sein ganzer Körper pulsierte in winzigen, anscheinend unkontrollierbaren Zuckungen. Seine Kiefer waren jedoch so fest zusammengebissen, dass del Monte zu hören glaubte, dass die Zähne des Mannes wie Schiffsplanken im Sturm knirschten. Er roch eine Schweißwolke, als Caravaggio sich verneigte und seinen Ring küsste. Er drückte die Nase in die Ambra auf seinem Kragen.
    «Es tut mir leid, Euch sagen zu müssen, dass die Unbeschuhten Pater Euer Gemälde abgelehnt haben, Maestro Caravaggio», sagte er.
    Caravaggio verzog das Gesicht und schwankte. «Gut.» Selbst diese allerkürzeste Äußerung lallte er.
    «Maestro Baglione …»
    Ein gemurmelter Fluch.
    «Man hat Maestro Baglione sagen hören, dass Ihr Eure Fehler mit Schatten übertüncht.»
    Ein verächtliches Schnauben, die Faust um den Degengriff geballt.
Früher hatte er einen Diener, der ihm wie einem Kavalier den Degen trug
, dachte del Monte.
Jetzt trägt er ihn selbst, als wollte er ihn jeden Augenblick zücken
.
    «Kardinal Scipione hat mich ersucht, einen Käufer für das zurückgewiesene Gemälde zu finden.»
    «Ach ja?» Der Künstler bewegte kaum die Lippen.
    Ich wundere mich, dass er mich nicht anschreit
. «Ich setze einige Hoffnungen in diesen flämischen Burschen Rubens, der bei gewissen Erwerbungen als Agent des Herzogs von Mantua handelt. Er zählt zu Euren Bewunderern.»
    Die Antwort bestand nur aus einem Schulterzucken und einem unterdrückten Rülpser, als müsse Caravaggio sich bemühen, nicht ins Arbeitszimmer des Kardinals zu kotzen. Del Monte schürzte die Lippen.
Zumindest hat er noch so viel Respekt vor mir.
    «Michele, begreift Ihr den Ernst der Lage?»
    «Meint Ihr die Sache mit der schwangeren Hure?»
    «Genau.»
    «Sie ist keine Hure. Sie ist auch nicht schwanger. Nicht mehr.»
    «Die Karmeliten sind der Ansicht – bestärkt darin von gewissen Künstlern –, dass es angemessener gewesen wäre, die Jungfrau darzustellen, wie sie von Engeln zum Himmel erhoben wird.»
    «Wenn ich jemanden fliegen sehe, liegt das zumeist daran, dass ich zu lange in der Taverne gehockt habe.» Caravaggio breitete die Arme aus, schlug sie auf und ab, ließ sie wieder fallen und lächelte abwesend.
    «Um Himmels willen, sogar Maestro Carracci hat den Tod der Jungfrau als freudigen Moment gemalt.»
    «Ich nehme an, dass er das bedauert. Annibale ist zwar gut, aber er ist nicht ich.»
    Er hat sich auch schon früher von mir zurückgezogen
, dachte del Monte,
aber noch nie so weit
. Caravaggio steckte so tief in seiner rüpelhaften Fassade, als wäre er dort übers Wochenende mit einer Kurtisane eingesperrt. Alles, was er malte, löste Kontroversen aus – Kritik an seiner Arbeit konnte nicht der einzige Grund für sein Verhalten sein.
Es muss an dem Mädchen liegen
. «Die Kunst in unseren Kirchen dient nicht unserem Vergnügen. Sie soll inspirieren. Wenn man die Jungfrau nicht darstellt, wiesie auf mystische Weise zum Himmel auffährt, könnten die Gläubigen in der Kirche daran zweifeln, dass es wirklich geschehen ist.»
    «Der Körper steigt nicht zum Himmel auf. Habt Ihr noch nie von so etwas wie der Seele gehört?
Die
steigt zum Himmel.» Caravaggio schloss die Augen und schaute nach innen. Plötzlich schlug er sie wieder auf, schien in Panik zu geraten, blickte sich im Raum um, als fürchtete er, dass ihm seine Seele abhandenkommen könnte, während er redete. «Übrig bleibt nur ein Sack voller Knochen.»
    Del Monte zog in Betracht, dass Caravaggio sich absichtlich in diesem Zustand präsentierte, beinah wie eine Leiche, das lebende Exempel dessen, von dem er wollte, dass die Leute es im
Tod Mariens
erblickten. Ein missbrauchter und hinfälliger Körper, der nichts bedeutete, und eine Seele, die sich in reinste Kunst verwandelte.
    «Von der Seele habe ich durchaus gehört», sagte der Kardinal. «Ich sorge mich sehr um die Eure.»
    ∗
    Am Palazzo Colonna ging

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