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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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liefern soll. Du
musstest
einfach zeigen, was du gesehen hast, nicht wahr, Michele?
    Caravaggio sah sich zu Roero um.
Ich fürchte, dem Wachhund missfällt meine Arbeit.
Roero stand so reglos da wie der Falke auf seinem Handgelenk.
    Wignacourt wippte vor Aufregung auf den Zehenspitzen. «Martelli, was haltet Ihr davon?»
    Der Florentiner musterte die Gestalt des Großmeisters nur flüchtig. Bei der Betrachtung des Bildes des Jungen schob er die Zunge in die Wangentasche.
    «Nun?», sagte Wignacourt. «Hat er mich getroffen?»
    Martelli verschränkte die Arme über dem Kreuz auf seinem Mantel. «Das hat er, Sire. Er hat euch genau getroffen.»

7
Die Enthauptung Johannes’ des Täufers

    Zum Zeichen ihrer Demut wandten sich der Großmeister und die älteren Ritter jeden Freitag denjenigen zu, die sie als Unsere Gebieter, die Kranken, bezeichneten. Grelles Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster des Hauptflügels des Hospitals. Von hier war das Beste und Schlechteste aus der Vergangenheit der Ritter verbannt. Es gab weder Glücksspiele noch lautes Vorlesen. Abgesehen vom Stöhnen der Sterbenden und Lallen der Delirierenden herrschte Stille in der geräumigen Abteilung.
    Martelli führte Caravaggio ins Hospital. Am Anfang des Gangs legte Wignacourt auf zeremonielle Weise mithilfe der um ihn versammelten adligen Ritter die Insignien seiner Macht ab. Er legte seine Amtskette beiseite, übergab Fabrizio die Börse, die die Wohltätigkeit des Großmeisters symbolisierte, und schlüpfte so in die Rolle eines einfachen Büßers, der sich den Patienten widmete.
    Neben ihm schob Roero einen Serviertisch, auf dem Suppe mit Bandnudeln stand. Er füllte eine silberne Schale, nickte gravitätisch und reichte sie Wignacourt. Wie es jeder Großmeister getan hatte, seit die Kreuzritter vor fünf Jahrhunderten in Jerusalem ihr erstes Hospital gegründet hatten, brachte der Mann, zu dessen Titeln auch der des Beschützers der Armen in Jesus Christus zählte, das Essen einem armen Schlucker, der unter fleckigen Betttüchern vor sich hin brabbelte.
    Martelli nahm einen Teller und trat an ein Bett. Caravaggio hob den Patienten auf seine Ellbogen. Martelli flößte ihm Suppezwischen den ausgetrockneten Lippen ein. Sein mitleidiges Gemurmel war im gierigen Schlürfen des Kranken kaum zu hören.
    «Dem Großmeister gefällt Euer Porträt», flüsterte Martelli Caravaggio zu. Er legte den Kopf des Invaliden auf die Bettstatt zurück.
    «Ich bin hocherfreut.»
    «Er hat dem Papst Botschaften mit der Bitte um Eure Begnadigung geschickt.»
    Caravaggios Brust hob sich vor Erleichterung.
    «Ihr seht also», sagte Martelli, «dass hier niemandem Erlösung verweigert wird.»
    Der Kranke, um den sich Wignacourt kümmerte, verschluckte sich an der Suppe, sodass sein Gesicht hellrot anlief. Die Ärzte der jesuitischen Medizinschule eilten dem Großmeister zu Hilfe.
    «Fast niemandem», sagte Martelli.
    Roero hielt ihm einen Zinnteller mit Suppe hin. Caravaggio zögerte, nahm ihn dann aber doch. «Der da drüben», sagte Roero. Aus seinen blutunterlaufenen Augen tropfte Eiter.
    Caravaggio ging zu einem jungen blonden Mann, der ganz ruhig dalag. Seine Schultern waren nackt, der gesamte Brustkorb verbunden. Martelli warf Roero einen Blick zu, und Fabrizio murmelte leise etwas vor sich hin, aber der Ritter betupfte nur sein Auge und füllte noch eine Suppenschale.
    Der Mann im Bett sah Caravaggio mit leerem Blick an. Als er den Zinnteller sah, versuchte er sich hochzurappeln und redete in einer kehligen Sprache, die Caravaggio nicht kannte. Dann sank der Kranke auf die Nackenrolle zurück und brach in Schweiß aus.
    «Wer ist das?», fragte Caravaggio.
    «Ein deutscher Ritter.»
    «Dann ist die Schale aus dem falschen Material. Einem Ritter gebührt Silber.»
    «Roero hat das absichtlich gemacht. Das Zinn ist ein Signal an diesen armen Kerl. Dagegen würdet Ihr wohl gern Einwände erheben, nicht wahr, Bruder Jobst?»
    Die Speiseröhre des Deutschen verkrampfte sich. Martelli wischte dem Mann mit einem Lappen den Schweiß ab.
    «Was ist mit ihm passiert?», fragte Caravaggio.
    «In einem Duell verwundet worden.»
    Er sah den Mann leiden. «Sein Gegner?»
    «War ein französischer Ritter.»
    «War?»
    Martelli kühlte dem Deutschen mit Wasser die Stirn. «Aber ist nicht mehr.»
    «Dann wäre die Strafe –»
    «In einen Sack eingenäht und ins Meer geworfen zu werden – und entehrt zu sein. Solche Ehrenhändel sind einem Mann wie Roero wichtiger als das

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