Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
Leben selbst.»
Der Deutsche atmete langsam und laut durch die Nase, als würde sein Atem aus einem leeren Weinschlauch gepresst.
«Es ist kein Zufall, dass Roero Euch ausgesucht hat, um diesen Mann zu bedienen», sagte Martelli. «Obwohl Jobst ein Edelmann ist, nimmt ihm sein Vergehen den Adelsrang. Er ist verurteilt, als wäre er ein gemeiner Mann.»
Caravaggio kleckerte Suppe auf sein Handgelenk. Er fluchte und wischte sie an der Hose ab. «Roero möchte, dass ich Zeuge werde, was mit denjenigen geschieht, die nicht den Ordensregeln folgen.»
«Vielleicht.» Martelli flüsterte ein Gebet für den deutschen Ritter. «Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er lediglich wollte, dass Ihr einen Mann sterben seht.»
Er drückte dem deutschen Ritter die Augen zu.
∗
Fabrizio ging durch den kleinen Orangenhain am Ende seiner Residenz. Für seine zweijährige Dienstzeit war dem Admiral der Galeeren dieses angenehme Haus am Fuß des Palasthügels des Großmeisters zugewiesen worden. Es war fünf Zimmer tief und zwei Zimmer breit und wurde zumeist der Flottenverwaltung überlassen. Für private Zwecke verfügte Fabrizio über eine winzige, dem heiligen Gaetano geweihte Kapelle, in der er an diesem Morgen um eine Möglichkeit gebetet hatte, Caravaggio zu schützen. Er erkannte die Bedrohung, der sein Freund ausgesetzt war, in der Grausamkeit, mit der ihn Roero beim Tod des deutschen Ritters beobachtet hatte.
In der Hitze überlagerte der Orangenduft die Erregung seines Geistes, als wäre sie eine üble Ausdünstung.
Sogar die Luft, die ich atme, muss gesüßt werden
, dachte er.
Werde ich nie dazu in der Lage sein, die Wirklichkeit zu ertragen?
Er trat mit dem Fuß leicht gegen das Becken eines rauschenden Brunnens.
Nein, ich erkenne das Leben in einer Klarheit, über die nur wenige verfügen. Das macht es so unerträglich.
Er hatte einen Mann getötet, in einem Duell durchbohrt. Dieser Mord untermauerte seine Verwandtschaft mit Caravaggio. Als Jungen hatten sie so viele Gemeinsamkeiten gehabt. Nun waren sie des schrecklichsten aller Geheimnisse teilhaftig geworden – ein menschliches Leben auszulöschen. Aber der Tod hatte von Anfang an ihre Verbindung geprägt. Der Verlust von Micheles Vater hatte sie zusammengeführt, als Costanza den Jungen in ihrem Haushalt aufgenommen hatte. Die Einsicht, dass Sterblichkeit stets das Bindeglied zwischen ihm und seinem ältesten Freund gewesen war, verstörte Fabrizio.
Was wird diese Kette zerreißen?
, fragte er sich.
Wird es noch ein weiterer Tod sein müssen?
Er pflückte eine Orange vom niedrigsten Ast und drückte sich die Rinde an die Nase.
«Sie wird sowieso bald verfault sein.» Er schleuderte die Frucht in die Ecke des Hofs.
Er blinzelte in die Sonne und fürchtete, dass allein schon derWeg von der italienischen Taverne zum Admiralshaus für Caravaggio gefährlich sein konnte. Roero konnte jederzeit einen Streit mit ihm vom Zaun brechen. Er ballte die Fäuste. Fabrizio hatte seine Mutter schon oft enttäuscht; er durfte jetzt nicht daran scheitern, den Mann zu schützen, der für sie wie ein Sohn gewesen war.
Ihn beschützen, wie auch Michele sich um ihn gekümmert hatte. Beim ersten Mal war Fabrizio ungefähr neun Jahre alt gewesen, ein offenes, argloses Kind. Beim Spielen mit seinen älteren Brüdern war ihm entgangen, dass das harmlose Versteckspiel zu einer Jagd mit bösem Ende ausgeartet war. Sein ältester Bruder Muzio hatte ihn in eine Ecke gedrängt und mit einem Stock geschlagen. Das niederträchtige Lachen seines Bruders war ein viel schlimmerer Verrat gewesen als der Schmerz selbst. Michele kam ihm zu Hilfe, attackierte Muzio und drängte ihn von Fabrizio weg. Für seine Verletzung der häuslichen Hierarchie züchtigte Fabrizios Vater Michele mit einer Peitsche.
Tränen der Reue traten ihm in die Augen.
Daran erinnerst du dich also aus deiner Kindheit
, dachte er.
An das Gefühl der Einsamkeit in deinem eigenen Elternhaus. Und jetzt bist du wieder allein unter den Rittern – allein, von Michele einmal abgesehen.
Er riss sich zusammen, als er im Haus Schritte hörte.
Caravaggio kam über die Steinfliesen des Hofs auf ihn zu. Er küsste Fabrizio auf die Wange und setzte sich neben ihn auf die Steinbank.
«Du weißt, welche Verpflichtung ich gegenüber meiner Mutter habe …» Fabrizio zögerte. Er fürchtete, dass Caravaggio ihn zum Schweigen bringen würde, sobald er Roero erwähnen würde.
«Keine geringere, als ich sie ihr gegenüber habe.»
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