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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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geworden sind?»
    Caravaggio suchte auf dem Gesicht des Inquisitors nach einem Hinweis, worauf er wirklich hinauswollte. Della Corbara verzog seine Miene zu einer Karikatur der Unschuld. «Ich möchte es einfach nur wissen.»
    «Nun ja, ich benutze einen Spiegel, um das Bild auf die Leinwand zu werfen. Daraus entwickele ich dann die Form meiner Komposition.»
    «Einen Spiegel?»
    Das Erstaunen im Tonfall des Inquisitors verblüffte Caravaggio. Es kam selten vor, dass sich jemand nach seiner Methode erkundigte. Entweder sagte man ihm, er wäre ein Meister, oder man bezeichnete ihn als Scharlatan. Wie er konkret arbeitete, wurde er so gut wie nie gefragt. «Der Spiegel bildetden Gegenstand auf der Leinwand ab, allerdings auf dem Kopf stehend.»
    «Was für ein Spiegel? Ein Spekulum? Ein polierter Stein?»
    «Ihr redet von Zauberei, Pater della Corbara. Ich benutze den Spiegel zu einem praktischen Zweck. Ich vergrabe ihn nicht um Mitternacht unter Zaubersprüchen und Beschwörungsformeln an Wegkreuzungen.»
    «Wie dem auch sei, ich habe gehört, dass in Rom Künstler mit einer Camera obscura hantieren, einem magischen Gerät, mit dem man ein bewegtes Bild mit Hilfe von Spiegeln auf eine Leinwand werfen kann.»
    Caravaggio beschlich die böse Ahnung, zu einem Geständnis überlistet worden zu sein. Wäre ein Spiegel bereits ausreichend, ihn als Häretiker anzuklagen, sodass ihn der Inquisitor foltern lassen und aus ihm Informationen über die Gelüste des Großmeisters herauspressen konnte?
Wenn ich gefoltert würde, was würde ich dann noch alles gestehen?
«Solche Geräte sind nicht so magisch, wie Ihr denkt.»
    «Ein bewegtes Bild zu erzeugen, ist mit Sicherheit Hexerei und Zauberei.»
    «Es ist völlig natürlich – ein wissenschaftliches Verfahren.»
    Der Inquisitor hob das Kinn. «Ihr habt doch Männer der Wissenschaft im Haus des Kardinals del Monte kennengelernt, nicht wahr? Ich erinnere Euch daran, dass Wissenschaft die Quintessenz der Zauberei darstellt, weil sie danach trachtet, die Wunder des Herrn auf eine Weise zu erklären, die von der Heiligen Schrift abweicht. Benutzt Ihr eine Camera obscura?»
    Wignacourt führte die obersten Ritter aus dem Saal.
    «Ihr könnt gern meine Werkstatt besuchen. Dort werdet Ihr keine verdächtigen Gerätschaften finden.»
    Der Inquisitor hielt Caravaggios Arm, während sie den Rittern aus der Kammer des Heiligen Rats folgen. «Glaubt Ihr wirklich, dass sie Euch zum Ritter schlagen?» Er weidete sichan Caravaggios Verblüffung. «Ich bin über alles bestens informiert, nicht wahr? Abstammung ist ihr Lebenselixier. Großherzog sticht Grafen sticht Herzog sticht Ritter.» Der Priester stach Caravaggio den Finger auf die Brust. «Sticht Euch.»
    «Wer sticht einen Inquisitor?» Caravaggio zeigte mit einem Finger nach oben. «Nur Er?»
    «Manchmal. Hört zu, vielleicht kann ich Euch überzeugen, dass Ihr noch andere Gründe habt, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich kann Euch nach Rom zurückbringen. Wartet dort niemand auf Euch? Ich hörte von einer Frau namens Lena.» Der Inquisitor murmelte den Namen leise und unbekümmert, als wäre er nachts mit einem Mädchen beisammen und striche ihr die Silben über die Brüste.
    Caravaggio starrte ihn an.
    Della Corbara spitzte die Lippen. «Esst Ihr mit mir zu Abend?»
    Mit zögerlicher Geste forderte Caravaggio den Inquisitor auf, voranzugehen. Della Corbara humpelte schwer. Die rechte Schulter schwang wie ein Buckel, um das verkrüppelte linke Bein auszubalancieren. Es war, als zwänge die Nähe so vieler großer, starker Edelmänner den Inquisitor dazu, geduckter zu torkeln. Caravaggio folgte ihm im Gefühl, unter einen Bann geraten zu sein, unter einen Zauber, der wie schleichendes Gift wirkte.
    ∗
    In einem Gasthaus auf der gegenüberliegenden Seite der Piazza setzten sie sich an einen Tisch. Die drei Dominikaner, die auf della Corbara gewartet hatten, gesellten sich dazu.
    «Wollen wir doch mal schauen, wie das normale Volk so lebt, nicht wahr?» Der Inquisitor rief den Kellner. «Fleisch. Etwas Maltesisches.» Er redete mit der aufgesetzten Fröhlichkeit einesReisenden, der sich in der Fremde nach einem vertrauteren Ort sehnt.
    «Die Malteser essen zumeist Kaninchen», sagte Caravaggio.
    «Bloß kein Kaninchen, im Namen Unseres Herrn», sagte Corbara. «Ich kann solchen Bauernfraß nicht ausstehen. Fisch wäre besser.»
    «Es gibt keinen Fisch, Pater», sagte der Kellner.
    «Eine Insel ohne Fisch?»
    Der Kellner zögerte.
    «Also,

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