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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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nicht sofort kam, spürten sie doch schon die Hitze, die sie verbrannte. Ich bin vom Tod gezeichnet
.
    Roero verzog die Lippen zu einer Art grausamem Lächeln.«Ihr wisst bestimmt, wie Polidoro vor siebzig Jahren zugrunde ging? Er wurde ermordet – in Sizilien, als er versuchte, nach Rom zurückzukehren, von wo er geflohen war.» Er zog die Worte in die Länge; ein böses Vergnügen ließ seine Zunge langsam werden.
    Caravaggio wandte sich von dem Ritter ab und dem gekreuzigten Christus zu. Ihm wurde klar, dass die Wurzeln all seiner Gewalttätigkeit in der Angst lagen. Aber wovor musste er sich fürchten? Vor diesem bösartigen, in den Schatten vor sich hin grinsenden Edelmann? Er schüttelte den Kopf.
Ich habe Wichtigeres im Leben zu tun, als vor ihm zu zittern.
«Polidoro wurde von einem Diener ermordet, der seinen Geldgürtel gestohlen hatte. Das ist das Motiv eines Mannes, der einen Genius umbringt.»
    Roeros Grinsen wurde zu Wut.
    Das war vielleicht etwas zu viel
, dachte Caravaggio,
aber es ist eine gute Idee, auf Hochmut mit noch größerer Überlegenheit zu reagieren.
Er lächelte in sich hinein, als er das Oratorium betrat.
    Martelli winkte ihm vom Altar aus zu. Mit der Hand schirmte er das Sonnenlicht ab, das durch ein hohes Fenster fiel. Der alte Ritter drückte Caravaggio auf die Knie. Er flüsterte ein Gebet, bekreuzigte sich und schaute zur leeren Wand über dem Altar auf. «Unter dem Boden dieses Oratoriums ruhen die sterblichen Überreste jener Ritter, die während der großen Belagerung gefallen sind», sagte Martelli. «Es waren meine Kameraden. Auch ich würde dort jetzt liegen, wenn Unser Herr mich nicht für andere Aufgaben bewahrt hätte.»
    «Das verhüte Gott, Signore.»
    «Seit jenen Tagen konnte ich viele Leistungen für mich in Anspruch nehmen. Ich war Admiral unserer Flotte und vertrieb die Ungläubigen aus unseren Gewässern. Ich führte Novizen und junge Ritter in die Traditionen unseres Ordens ein.»
    «Alles, was Ihr zu tun hattet, habt Ihr mit großem Erfolg gemeistert, Signore.»
    «Die größte Aufgabe liegt in Euren Händen.» Martelli zog aus seinem Wams einen Brief und drückte ihn Caravaggio in die Hand. Dann erhob er sich stöhnend und stützte dabei eine Hand ins Kreuz.
    Auf dem Brief las Caravaggio den Namen des Kardinalnepoten Scipione. «Signore?»
    «Ihr habt den Großmeister gemalt. Nun ist es an der Zeit, dass Ihr unserer Kirche etwas gebt.»
    «Ihr erweist mir große Ehre, Signore.»
    «Der Großmeister wünscht, dass Ihr das Martyrium des heiligen Johannes malt – für diese Wand hinter dem Altar.» Martelli ergriff Caravaggios Arm. «Ich sagte Euch ja, dass mir noch etwas für Euch vorschwebte.»
    Genau wie der Inquisitor vorhergesagt hat. Della Corbara wird mein Bild nehmen und behaupten, die Darstellung verletze die kirchlichen Richtlinien. Dann bin ich in seiner Gewalt
. Caravaggio taxierte die riesige Wand, die er mit seiner Leinwand füllen sollte.
Es wird aber auch ein entsprechendes Bild werden
. «Es ist dunkel hier drinnen.»
    «Ihr habt doch früher auch schon in Kirchen gemalt. Dunkel sind sie alle.»
    «Die Fenster sind so hoch und schmal. Der Ort ist wie ein Kerker.»
    «Was steht denn über den Tod des heiligen Johannes in der Bibel? ‹Und alsbald schickte hin der König den Henker und hieß sein Haupt herbringen. Der ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis und trug her sein Haupt auf einer Schüssel.›» Martelli legte Caravaggio eine Hand auf die Schulter. «Der Täufer wurde in einem Kerker enthauptet. Malt also für unseren Kerker hier einen Kerker.»
    Caravaggio ließ den Blick über die massiven Steine gleiten. Er würde lange brauchen, um etwas zu malen, das groß genug sein würde, um nicht von dieser Wand verschluckt zu werden. Er hatte den heiligen Johannes bereits als jungen Mann in derWildnis porträtiert. Jedoch der Augenblick des Todes? Ihn schauderte. Er hatte diesen Moment erlebt. Vielleicht war es an der Zeit, diese paar Augenblicke aus sich herauszuziehen, aus dem entsetzlichen Ort, an dem er sie eingemauert hatte. Wieder zitterte er. Das Wissen, über das er verfügte, war unwiderstehlich. Selbst wenn er es nur im Format einer Handfläche malte, würde es die Wand füllen.
Es wird die Leute erschrecken oder inspirieren
, dachte er.
Es hängt davon ab, wie viel Schuld sie mit sich herumtragen.
«Ich fühle mich geehrt, Signore.»
    «Lest den Brief.»
    Caravaggio entfaltete das Papier, das mit der sauberen Handschrift des

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