Mit Chic Charme und Chanel
Nacht war ich mir ziemlich sicher, dass er nicht schwul war. Und nach diesem Morgen. Und hoffentlich auch später am Abend.
»Gut, er ist nämlich auch ein ziemlich starker Typ. Für einen
Indie«, ergänzte sie achselzuckend. »Kommen Sie mir bloß nicht zu nahe, ich gehe nämlich mit jemandem, der mal den Eindruck macht, als wäre er kein Loser, und ich möchte nicht, dass Sie mich zur Lesbe machen.«
»Ich werde versuchen, Distanz zu halten«, versprach ich. Sollte nicht allzu schwer sein.
Mary saß wie immer an ihrem Computer, ihr akkurat geschnittener grauer Bob hüpfte, während sie auf ihre Tastatur einhämmerte, die schmale rechteckige Brille war auf die Nase heruntergerutscht.
»Angela, meine Liebe!«
Ich erstarrte. Meine Liebe? Da stimmte doch was nicht?
»Setzen Sie sich, meine Liebe«, sagte sie, blickte auf und schaltete ihren Monitor aus.
Gleich zweimal »meine Liebe«? Da konnte was nicht stimmen. Und noch nie hatte sie in meiner Gegenwart den Computer ausgeschaltet. Hoffentlich war sie nicht krank.
»Die Umsatzzahlen für die James-Jacobs-Ausgabe von Icon sind da«, verkündete Mary. »Und sie sind gut.«
»Was ist gut?« Ich hielt den Atem an.
»Zweieinhalb Millionen gut. Vorher hatten wir anderthalb Millionen.« Sie hatte Mühe, still zu sitzen.
»Auf der Geschäftsleitungsetage sieht man heute Morgen jede Menge fröhlicher Gesichter, Angela Clark.«
Ich biss mir ein wenig zu fest auf meine Lippe. Zweieinhalb Millionen Menschen haben mein Interview gelesen? Okay, eigentlich haben zweieinhalb Millionen Menschen gelesen, dass James Jacobs schwul war, aber immerhin, es war mein Interview.
»Und dabei sind die Klicks auf der Website, der Besucheranstieg auf Ihrem Blog noch nicht berücksichtigt. Sogar die Abonnementzahlen steigen. Für Icon und The Look .« Marys
Gesichtsausdruck konnte nicht anders als grinsend beschrieben werden. »Ich bin so unglaublich stolz, Angela. Und es tut mir wahnsinnig leid, wie schwer es für Sie war, das hinzubekommen. Ich weiß, dass ich mich ziemlich blöd benommen habe, während Sie unten in L. A. waren.«
»Nicht im geringsten«, sagte ich, obwohl ich genau das Gegenteil dachte, aber ich war viel zu sehr Engländerin, um ihr beipflichten zu können. »Dann gibt es also keinerlei Probleme mehr?«
»Wohl kaum«, strahlte sie. »Denn seit der Sekunde, als diese Zahlen hereinkamen, sind Sie das Goldmädchen Nummer Eins von Spencer Media. Im Moment könnten Sie da hochmarschieren und verlangen, dass man Ihnen eine eigene Zeitschrift gibt, wenn Sie das wollen.«
»Wäre vielleicht ein wenig zu ehrgeizig«, erwiderte ich und spürte, wie ich rot wurde. Jetzt oder nie. »Ich habe mir allerdings überlegt …«
»Gefährlicher Zeitvertreib.« Mary zog eine Braue hoch.
»Wie schätzen Sie meine Chancen ein, mehr Artikel für The Look zu schreiben? Ich meine, für die Zeitschrift.«
»Woran denken Sie?«
»Vielleicht eine Kolumne? Oder ein paar Features?« Ich saß auf meinen Händen, damit ich nicht in Versuchung kam, an meinen Nägeln zu knabbern. »Oder auch was anderes?«
»Sie wissen, dass das mit der eigenen Zeitschrift ein Scherz von mir war, nicht wahr?« Mary presste ihre Finger gegen ihre Lippen und schüttelte ihren Bob. »Sie möchten eine Kolumne für The Look schreiben?«
Ich schob meine Unterlippe vor und nickte. »Bestehen da Chancen?«
»Sie wissen ja, dass ich nicht für die Zeitschrift arbeite, Angela. Und deshalb kann ich auch nicht einfach eine Kolumne dafür in Auftrag geben.«
»Aber Sie könnten mit jemandem darüber reden?« Dieser Goldmädchenstatus war verdammt schnell verflogen.
»Ja, das könnte ich. Aber das könnten Sie selbst auch.«
»Ich weiß, ich könnte mit meiner Redakteurin sprechen, aber ich kenne sie nicht so gut wie Sie. Sie schickt mir nur immer CDs und andere Sachen, die ich rezensieren soll, aber ich sehe sie so gut wie nie, und …«
»Genau das meinte ich, Angela«, sagte sie. »Ich meinte, dass Sie angesichts der Position, in der Sie sich jetzt befinden – und damit meine ich jetzt wie in heute -, wirklich losziehen und bei anderen Zeitschriften vorstellig werden könnten. Sie sind sehr, sehr gefragt, aber das hält nicht lange an.«
»Aber ich möchte gar nicht anderswohin«, protestierte ich. »Ich arbeite gern mit Ihnen zusammen und möchte nicht …«
»Ja, aber stellen Sie sich doch nur mal vor, Sie wären heute Morgen hier hereingekommen und hätten mir gesagt, dass ein anderer Verleger auf
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