Mit deinen Augen
und beide ein Glas Wein getrunken. Ich ging dicht neben ihr und streifte absichtlich ihre Hand, in der Hoffnung, dass meine Hand irgendwie haften bleiben könnte, aber schließlich legte ich den Arm um sie und freute mich, dass sie näher kam und sich nicht losmachte. Auf der einen Seite das wunderschöne Hotel, auf der anderen das Meer - es fühlte sich an, als wären wir im Urlaub, Touristen in einem exotischen Land. Seltsam, dass wir je befangen waren in der Gegenwart des anderen.
»Ich bin froh, dass du das Land nicht verkauft hast«, sagt Scottie.
»Tatsächlich?«, frage ich. »Wieso?«
»Weil wir es dann nicht mehr hätten«, antwortet sie.
»Eines Tages gehört es euch«, sage ich. »Euch beiden.«
»Das ist aber ganz schön viel«, sagt Alex.
Scottie blättert zur letzten Seite, und da sind die beiden, mit denen alles begonnen hat, Prinzessin Kekipi und Edward King.
»Warum kommen sie am Ende?«, frage ich. »Müssten sie nicht am Anfang sein?«
»Ja, stimmt wahrscheinlich«, murmelt Scottie. Sie legt die Hand auf das Porträt der Prinzessin. »Das mach ich später.«
»Aber eigentlich ist es okay so«, sage ich. »Mir gefällt es irgendwie, dass sie den Schluss bilden.«
Es ist lustig, dass sie in meinen Augen der Anfang sind, denn sie waren ihrerseits ja auch Nachkommen - unzählige Generationen haben sich in ihrer DNA vermischt, Spuren menschlicher Migration. Sie kamen keineswegs aus dem Nichts. Jeder kommt von jemandem, der wiederum von jemand anderem kommt, und das fasziniert mich unendlich.Wir können all die Menschen, die in uns sind, umöglich kennen. Und wir alle haben unseren Moment an der Spitze eines Stammbaums. Matthew und Joan. Eines Tages werden wir die beiden sein.
Ich döse ein bisschen. Ich weiß nicht, wie lange, aber als ich die Augen aufmache, laufen die Oscars immer noch, und Alex erzählt mir, Sid sei gegangen, was mich ein bisschen traurig macht. Das, was uns vier verbunden hat, ist nun vorüber. Jetzt ist Sid der Freund meiner Tochter, und ich bin ein Vater. Ein Witwer. Kein Gras, keine Zigaretten, keine Übernachtungen. Sie müssen sich fantasievollere Formen ausdenken, wie sie ihre Beziehung ausleben können, vermutlich an unbequemen Orten, wie alle anderen auch. Ich lasse ihn gehen, ihn und meine bisherigen Umgangsweisen. Wir alle lassen ihn los, so wie wir die Menschen loslassen, die wir bis jetzt waren, und nun sind wirklich nur noch wir drei übrig. Ich schaue zu den Mädchen und sehe, was mir geblieben ist.
44
Ich steuere das kleine Kanu, aber ich mache meine Sache nicht besonders gut. Im Zickzack fahren wir über das Wasser, und die Mädchen sind erschöpft von den zusätzlichen Paddelschlägen. Meine polynesischen Vorfahren wären enttäuscht von mir, von uns allen. Ich besitze nicht die Gabe der Wegfindung, bei der einem auf dem offenen Ozean Sonne, Sterne und Wellen als Orientierung dienen. Diese Fähigkeiten, diese Instinkte sind verloren gegangen.
»Sollen wir die Asche einfach hier verstreuen?«, schreit Alex nach hinten. Sie sitzt vorne, und ich sehe das gleichmäßige Spiel ihrer Rückenmuskeln.
»Da drüben ist ein Schwimmer, Dad«, ruft Scottie. »Ein Schwimmer!«
Ich sehe eine weiße Bademütze auf uns zukommen, aber dann strebt sie zu den Katamaranen.
»Wir fahren am besten aus der Brandungszone heraus«, sage ich. »Draußen ist nicht so viel Betrieb.«
»Also dann, geradeaus«, sagt Alex.
»Das versuche ich ja.«
»Streng dich an! Du musst vorausahnen, wann das Boot sich dreht, aber du darfst auch nicht zu stark gegensteuern. Du bist zu langsam.«
Joanie könnte geradeaus steuern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alle drei das jetzt denken.
Ich versuche, den orangefarbenen Windsack als mein Ziel ins Auge zu fassen. An manchen Stellen ragt das Riff auf wie ein gieriger Haifischschlund. Die Sonne ist ein diffuses Leuchten hinter grauen Wolken. Das Wasser ist dunkel, und die dunkleren Felsformationen unter uns auf dem Meeresgrund scheinen sich zu bewegen. Mein Paddel streift ein Stück Riff, das gemustert ist wie eine Honigwabe, und ich steuere nach rechts, damit wir in tieferes Wasser gelangen. Die Asche ist in dem Beutel, und der Beutel liegt auf meinem Schoß. Hin und wieder schaue ich auf meinen Schoß, und dann finde ich alles so ungerecht. Es ist nicht richtig, dass sie so auf meinem Schoß liegt. Ich kann sie kaum spüren. Ich denke an die Bestattungsvorschläge: Lassen Sie sich in einem Kanu hinauspaddeln und ins Wasser
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