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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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vorstellen, dass sie vielleicht mit Joanie interagiert, wenn Reina dabei ist. In Anwesenheit einer Freundin kann sie ja nicht nur dasitzen und vor sich hin glotzen.
    »Einverstanden«, sage ich. »Jetzt entschuldigst du dich bei diesem Mädchen und bist nett zu ihr, heute und überhaupt immer. Und dann kann Reina am Donnerstag mitkommen.«
    »Aber da brauche ich mein Handy, damit ich etwas mit ihr verabreden kann und damit ich nette Sachen zu Lani Muh sagen kann.«
    »Meinetwegen kannst du das Handy haben, Himmelherrgott, aber sag nicht Lani Muh!«
    Wir fahren durch das Zentrum von Kailua, wo in letzter Zeit viel gebaut wurde. Die Straße sieht jetzt aus wie jede Einkaufsstraße in jeder hübschen amerikanischen Vorstadt. Überall sind Touristen. Die waren hier bisher nicht besonders zahlreich vertreten. Ich weiß, wenn ich das Land verkaufe, wird der Käufer dort etwas ganz Ähnliches bauen. Klar, es gefällt mir hier, und Joanie gefällt es auch. Sie mag es, wenn Wohnviertel saniert werden.
    »Können wir uns ein Softeis holen?«, fragt Scottie.
    »Nein.«
    »Können wir uns dann wenigsten’nen Burger holen?«
    Klingt gut. »Nein.«
    »Oh Gott, sag nur, du willst im Moment keinen Monster Double Burger.«
    »Du hast doch gerade erst gegessen, Scottie.«
    »Na ja, okay. Dann ein Erdnussbutter-Shake.«
    Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. »Hör auf, Scottie. Nein - zu allem.«
    Der Verkehr kommt ins Stocken, wir rollen langsam auf die Ampel zu. Neben uns geht eine Familie im Gras, und der Vater trägt ein gelbes Plastikkajak auf dem Kopf. Sämtliche Familienmitglieder - zwei Kinder, die Eltern und noch zwei Erwachsene - haben violette T-Shirts an, auf denen Familientreffen der Familie Fischer steht.
    »Idioten«, murmelt Scottie.
    Wir überholen die Familie, halten, dann überholen sie uns. Die Ampel wird grün, der Verkehr kommt wieder in Fahrt. Im Vorbeifahren lehnt sich Scottie aus dem Fenster und ruft: »Idioten!« Der Vater streckt die Hand aus, um seine Frau und die Kinder aufzuhalten, als wollte er sie daran hindern, loszurennen.
    »Scottie!«, schimpfe ich. »Was soll das?«
    »Ich hab gedacht, du würdest lachen.«
    Ich beobachte die Familie Fischer im Rückspiegel. Der Vater redet heftig auf den älteren Sohn ein, der sein T-Shirt auszieht und auf den Boden wirft. Mein Kopf pocht. »Kurbel dein Fenster hoch«, sage ich.
    »Man kann es nicht kurbeln. Wir leben nicht mehr in den Zwanzigerjahren.«
    »Dann drück den Knopf, um es zu schließen, oder was weiß ich, Herrgott noch mal! Und es gibt immer noch Autos, bei denen man die Fenster auf und zu kurbeln muss. Das sind die Basismodelle, und die sind auch nicht schlecht.«
    »Hier musst du rechts abbiegen«, sagt Scottie.
    »Du weißt, wo sie wohnt?«
    »Sie lädt mich doch immer zu ihrem Geburtstag ein.«
    »Red bitte nicht immer so mit mir, als müsste ich das alles wissen.«
    »Das Haus da drüben«, sagt sie.
    »Welches?«
    »Das hier.«
    Ich trete auf die Bremse und fahre an den Bordstein. Ich schaue zu dem Haus, das aussieht wie alle Häuser im Stadtteil Enchanted Lakes: eine Eingangstür, die niemand verwendet, die Fliegengittertür neben der Garage, die offen steht. Gummischlappen und Schuhe auf einer Gummimatte. Wir steigen aus, und während wir die Einfahrt hinaufgehen, frage ich nach Lani: »Heißt das, ihr seid eigentlich Freundinnen?«
    »Ja, bis zu ihrer Party letztes Jahr. Da hat sie mich aus dem Haus ausgesperrt. Ich musste die ganze Zeit da drüben sitzen, und die anderen saßen drinnen und haben alle gelacht.« Sie deutet auf einen Tisch in der Garage. Auch das ist typisch für Enchanted Lakes: Niemand benutzt die Garage für den Wagen. Stattdessen dient sie dazu, dass man draußen essen kann. Und als Abstellplatz für zusätzliche Kühlschränke. »Sie hat gedacht, sie ist so supertoll, aber dann war ich auf einmal beliebter, und sie ist total busenmäßig geworden, und die Welt hat sich umgedreht.«
    »Du hast den Spieß umgedreht«, sage ich.
    Mrs. Higgins steht hinter der Fliegengittertür. Sie öffnet sie, wir treten ein. Ich gebe ihr zur Begrüßung die Hand, und weil sie immer noch die Tür offen hält, stehen wir so dicht voreinander, dass es sich anfühlt, als wollten wir uns gleich küssen oder anfangen zu streiten.
    »Danke, dass Sie vorbeikommen«, sagt sie so spitz, als wäre das bereits ein großes Zugeständnis.
    »Aber das ist doch selbstverständlich.« Ich kann kaum der Versuchung widerstehen, ihr zu sagen, dass meine

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