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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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uns zur Tür und geht dann die Treppe hoch. Wir steigen ins Auto, und ich fahre langsam los.
    »Sie schreibt was darüber«, sagt Alex. »Garantiert.«
    »Wehe, wenn ich nicht gut wegkomme«, sagt Sid.
    »Was gibt es denn da zu schreiben?«, frage ich. Eine Frau lebt. Eine Frau stirbt.
    Während der Fahrt überlege ich, wer jetzt an der Reihe ist, wessen Haus wir als Nächstes heimsuchen wollen. Russell Clove wohnt nur ein paar Straßen weiter, aber mit ihm will ich mich jetzt noch nicht beschäftigen, also fällt die Wahl auf Bobbie und Art.
    Ich sehe kurz zu Alex hinüber, tue aber so, als gälte mein Interesse den Straßenschildern hinter ihr. Sie sieht müde aus, müde und kaputt - wie etwas, das vor langer Zeit einmal wunderschön war.
    Als wir uns Bobbies Haus nähern, sagt sie: »Ich weiß, wo er wohnt, falls du ihn sehen möchtest.«

19
    Alex sagt, ich soll anhalten. »Hier ist es«, sagt sie.
    Das Haus selbst ist leider nicht zu sehen, weil es von einer hohen Mauer aus Korallenstein umgeben ist; hinter den Dächern kann ich Wellenkronen erkennen. Wir sind nicht allzu weit vom Strand entfernt, was bedeutet, dass der Typ verhältnismäßig wohlhabend ist, allerdings nicht stinkreich. Zuerst finde ich das gut, aber eigentlich macht es alles nur schlimmer.Wenn wir vor einem Anwesen mit Steinlöwen neben dem Eingangstor gehalten hätten, dann könnte ich es verstehen, aber dieses Haus wirkt eher durchschnittlich, wodurch die Liebe ernster erscheint. Ich fahre an den Rand und parke vor dem Haus des Liebhabers meiner Frau.
    »Seine Mauer gefällt mir«, sagt Alex.
    Ich werfe einen Blick auf die Korallensteinmauer. »Ja, sie ist ganz nett.«
    »Bleiben wir hier sitzen, bis er rauskommt?«, fragt Sid.
    »Nein«, antworte ich, »wir haben genug gesehen.« Ich will den Motor wieder starten, lasse es aber bleiben.
    »Meinst du, er ist zu Hause?«, fragt Alex. »Sollen wir klingeln?«
    »Find ich schon«, sagt Sid.
    »Find ich schon«, äfft Alex ihn nach. Er tritt von hinten gegen ihren Sitz, sie dreht sich um und greift nach seinem Bein. Er packt sie am Arm, und sie lacht.
    »Lasst das!«, schimpfe ich. »Hört auf, euch anzufassen.«
    »Holla!«, ruft Sid. »Vielleicht hat Ihre Frau Sie deswegen betrogen, weil Sie gegen Anfassen sind.«
    Ich drehe mich blitzschnell zu ihm um. »Wirst du öfter verprügelt?«
    Er zuckt die Achseln. »Hin und wieder.«
    Ich sehe meine Tochter an. »Ich muss sagen, du bist mit einem Behinderten zusammen. Das ist dir doch hoffentlich klar, oder?«
    »Mein Bruder ist behindert, Mann«, sagt Sid. »Benutzen Sie das bitte nicht als Schimpfwort.«
    »Oh.« Mehr sage ich nicht, in der Hoffnung, dass er mein Schweigen als Entschuldigung gelten lässt.
    »Reingefallen!«, ruft er und tritt jetzt gegen meinen Sitz. »Ich habe keinen behinderten Bruder!« Er findet seinen Witz extrem lustig. »Und da wir gerade von Behinderten reden«, fährt er fort, »haben Sie auch manchmal ein schlechtes Gewissen, weil Sie keine Geduld haben, wenn behinderte oder alte oder kranke Leute so lang für alles brauchen? Manchmal warte ich, bis sie endlich auf der anderen Straßenseite sind, und denke ›Nun mach schon!‹, aber dann habe ich Schuldgefühle.«
    »Halt die Klappe, Sid«, sagt Alex. »Vergiss nicht, was wir besprochen haben. Und außerdem, Dad - wir sind nicht zusammen.«
    Das scheint zu funktionieren. Sid schweigt. Ich kann ihm richtig ansehen, wie er an das denkt, was sie besprochen haben.
    »Das ist doch lächerlich«, sage ich. »Wir sitzen hier und warten auf diesen Mann, als wären wir Stalker.«
    »Aber wir sind keine Stalker«, sagt Alex. »Er ist bestimmt bei der Arbeit. Für so eine Mauer muss ein Mensch ganz schön viel schuften.« Sie dreht den Zündschlüssel und macht das Radio an. »Warum willst du ihn eigentlich sehen? Willst du ihm was sagen?« Sie schaltet die Klimaanlage ein, die mir direkt ins Gesicht pustet.
    »Das ist Benzinverschwendung«, sage ich.
    »Na, so was!«, sagt sie.
    »Glaubst du, dieses Auto läuft mit Gottes eigenem Methan?«, ruft Sid. Alex und ich drehen uns beide zu ihm um.
    Sid sitzt breitbeinig und besitzergreifend mitten auf dem Rücksitz. »Was denn? Das ist aus einem Film.«
    »Ich möchte ihn nur sehen«, sage ich. Ich höre der Musik zu, aber Alex wechselt den Sender, wartet kurz und schaltet immer weiter.
    »Entscheide dich für irgendwas.«
    »Überall nur dieser Pop-Mist.« Sie lässt weiter die Sender durchlaufen.
    »Geh mal zu 101.7«, schlägt Sid

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