Mit deinen Augen
vor. Er beugt sich vor, sodass sein Gesicht direkt neben meinem ist. Ich rieche Zigaretten und eine Mischung aus billigem Rasierwasser und Twizzlers.
»101.7.« Alex drückt immer wieder auf die Sendertaste, und jedes Mal ertönt ein metallischer Piepton.
»Stell doch einfach 101.7 ein«, sage ich.
Ein bedrohliches Knurren erfüllt das Auto. Irgendwie ist es beruhigend, dass es noch andere Menschen auf der Welt gibt, die wütend sind. Ich bin nicht der Einzige. Ein Luftzug weht durch das offene Fenster, und mit ihm kommt der Geruch von Meersalz, vermischt mit einem Hauch Kokosnuss. Der Radiosender überpiepst jedes zweite Wort des Sängers, weshalb ich natürlich noch viel mehr auf die unanständigen Wörter gestoßen werde. Fuck , denke ich.Was für ein tolles Wort. Wenn ich für den Rest meines Lebens nur noch ein einziges Wort sagen dürfte, dann wäre es das Wort Fuck . Sid neigt den Kopf nach rechts, dann nach links und wieder zurück. Er sieht aus wie eine Taube.
»Weißt du, was er beruflich macht?«, fragt Alex. »Ist er verheiratet?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nichts über ihn.« Das sage ich mehr zu mir selbst als zu ihr. Dass er verheiratet sein könnte, daran habe ich noch gar nicht gedacht, aber ich bezweifle es. Sein Haus wirkt wie das eines Junggesellen, und schon der Name, Brian Speer, klingt frei und ungebunden, wie ein einsam fliegendes Wurfgeschoss. Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor.Vielleicht will ich den Mann deswegen sehen. Weil ich denke, dass ich ihn kenne. Jeder kennt hier jeden. Ich muss ihn kennen.
»Heißt das, du hast Kai und Mark nicht gefragt?«
»Über Einzelheiten haben wir nicht geredet.«
»Warum nicht?«
»Darum.«
Ein Auto kommt die Straße entlang, und wir rutschen alle tief in die Sitze. Ich fühle mich total bescheuert. Das Auto fährt vorbei und verschwindet hinter dem Hügel, der zu den Anwesen direkt am Meer führt. Alex kauert neben mir. Ich bin ein Versager. Und ein miserabler Vater. Ein grauenhafter Vater. Wie muss das alles für Alex aussehen? Ihre Mutter hat ihren Vater betrogen und liegt im Koma, und sie, die Tochter, sitzt mit dem Vater im Auto, damit dieser einen Blick auf den Liebhaber der Mutter werfen kann. Ihre Schwester stolziert in ihren Dessous herum und legt sich mit allen möglichen Meerestieren an. Wieso habe ich ihr erlaubt, mich hierherzuführen? Warum habe ich meine Schwächen so deutlich gezeigt?
»Das ist idiotisch.« Ich lasse den Wagen an, und weil ich vergessen habe, dass der Motor bereits läuft, knirscht es bedenklich im Getriebe.
»Wenn einer mit meiner Freundin rummachen würde, der würde was erleben«, verkündet Sid.
»Ach, Sid«, sagt Alex, »Mädchen brauchen keinen edlen Ritter.«
Es ist, als säße Joanie neben mir. Genau das hätte sie auch gesagt. Am liebsten würde ich meine Tochter fragen:
Warum nicht? Das würde doch alles vereinfachen. Ich hätte gern einen edlen Ritter.Warum soll man sich nicht retten lassen?
Ich fahre zurück zur Kahala Avenue.
»Er hat dunkle Haare«, sagt Alex. »Falls du wissen willst, wie er aussieht.«
Wir entfernen uns von den Häusern und fahren die breite Straße entlang, die zu den Aussichtspunkten unterhalb des Diamond Head führt. Ich bremse ab, um ein paar Jugendliche mit Surfbrettern über die Straße zu lassen. Einer von ihnen, ein Junge mit langen rotbraunen Locken, watschelt besonders langsam. In der einen Hand hält er sein Brett, und mit der anderen versucht er, seine Shorts festzuhalten.
»Hier habe ich dich immer abgesetzt, weißt du noch?«, sage ich zu Alex - leise, damit die Unterhaltung zwischen uns bleibt.
»Stimmt«, sagt sie und lacht kurz auf. Es klingt fast ärgerlich.
»Warum surfst du nicht mehr?«
»Das hat sich so ergeben. Warum hört man auf, mit Lego zu spielen? Das ist der Lauf der Dinge.«
»Aber Surfen ist etwas anderes. Du warst sehr gut.«
»Du hast mich doch nie gesehen.«
»Aber man hat mir berichtet, dass du gut bist.«
Sie schaut mich an, und ich lächle breit und positiv, wie ein guter Vater.
»Du hast gesurft?«, fragt Sid. »Du warst’ne süße kleine Surfpuppe?«
»Warum hast du aufgehört?«, frage ich sie noch einmal.
»Zuerst habe ich aufgehört, weil ich meine Tage bekommen habe und nicht wusste, wie man einen Tampon benutzt. Da habe ich immer fünf Tage oder so ausgesetzt, und mit der Zeit habe ich es mir irgendwie abgewöhnt.«
»Wieso hast du nicht gewusst, wie man einen Tampon benutzt?«, fragt Sid.
»Deine Mutter hat es
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