Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
Vom Netzwerk:
dir nicht … gezeigt … oder wenigstens erklärt, oder was weiß ich?«, frage ich.
    »Ich habe Mom ein ganzes Jahr lang nicht gesagt, dass ich meine Periode habe.«
    »Sogar ich weiß, wie man einen Tampon benutzt«, sagt Sid.
    Ich drehe das Radio lauter.
    »Das erste Mal dachte ich, ich hätte in die Hose gemacht«, sagt Alex. Ich spüre ihren Blick. Sie wartet auf eine Reaktion.
    »Uuhh, Alex«, sagt Sid, »vielleicht war’s ja so.«
    »Na ja«, sage ich. »Das ist deine Privatsache.«
    »Ich habe die benutzten Binden unter meiner Matratze versteckt, weil ich nicht wusste, wie ich sie entsorgen soll. Im Mülleimer hätte Mom sie entdeckt. Das Blut ist in die Matratze gesickert. Daran hat sie’s dann gemerkt. Als sie die Matratze umgedreht hat.«
    Alex schaut mich immer noch erwartungsvoll an, aber ich erwidere ihren Blick nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich genau die richtige Antwort geben muss, wie bei einem Examen.
    »Warum hast du ihr das verheimlicht? Das klingt nach viel Mühe.« Und nach Scham, möchte ich hinzufügen. Und nach Scham.
    »Keine Ahnung«, sagt Alex. »Vielleicht, weil sie immer so viel Wert darauf gelegt hat, dass ich älter aussehe und mich älter benehme, und deshalb hätte es ihr genau in den Kram gepasst. So nach dem Motto, jetzt bin ich eine erwachsene Frau, blablabla. Vielleicht hatte ich darauf noch keine Lust. Ich war dreizehn.«
    Offenbar hat sie viel darüber nachgedacht. Worüber denkt sie sonst so nach? Was beschäftigt sie innerlich? Wir umfahren den Fuß des schlummernden Vulkans.
    »Hey, Alex?«, fragt Sid. »Hattest du nicht manchmal das Gefühl, dass dir die ›gepflegte Frische‹ fehlt?«
    »Halt die Klappe, Sid.«
    »Weiß er wirklich, was los ist?«, frage ich Alex. »Er benimmt sich nicht gerade so, als wüsste er Bescheid.«
    »Dad!«, ruft Alex so plötzlich und so laut, dass ich automatisch bremse und auf die Straße schaue.
    »Fahr zurück«, sagt sie.
    »Wohin zurück?« Wir befinden uns auf Höhe des Kapiolani Parks. Überall sind Jogger. Einer überquert direkt vor mir die Straße. Seine Shorts sind an den Seiten geschlitzt. Ich sehe die dunkle Beinbehaarung, verklebt vom Schweiß. Um den Oberarm hat er einen iPod geschnallt.
    Ich höre, wie das hintere Fenster herunterfährt. »Pass doch auf, du Wichser!«, ruft Sid.
    »Wende am Brunnen und fahr zurück«, sagt Alex.
    »Warum?«
    »Ich habe etwas gesehen, glaube ich. Aber ich bin mir nicht sicher. Dreh einfach um.«
    Ich biege ab in Richtung Küste, mache dann eine Schleife um den Brunnen und fahre die Kalakaua Road zurück. »Noch weiter?«
    »Ich glaube, ja«, sagt Alex. »Schön langsam.«
    »Das waren ihre Worte«, sagt Sid.
    »Halt die Klappe!«, schreit Alex. »Fahr bis zu dem Stoppschild.«
    Ich mache, was sie sagt.
    »Schau mal!« Sie zeigt auf das Haus auf der anderen Straßenseite.
    Es ist ein hellblaues Häuschen, eine Art Cottage mit weißen Fensterläden im Plantagenstil. Es steht zum Verkauf. Joanie wollte immer, dass wir in die Stadt ziehen, auf die Seite der Insel, wo ihre Freunde leben, weg von Maunawili, wo es immer regnet. Ich wollte nie hier wohnen - mit den ganzen Joggern und den protzigen Villen in der Kahala Avenue. Alex mag diese Inselseite auch sehr. Jedenfalls war das früher so. Das Cottage ist zwar durch die Straße vom Meer getrennt, aber es ist eine echte Diamond-Head-Immobilie, frisch renoviert und auf alt getrimmt.
    »Sehr hübsch«, sage ich, »aber die Straße stört.« Ich zeige auf die vorbeirauschenden Autos. »Da kommt man ja kaum aus der Einfahrt.«
    »Nein«, sagt sie. »Schau dir das Schild an.«
    Ich blinzle, um das Verkaufsschild entziffern zu können. Da lese ich seinen Namen und begreife, warum er mir so bekannt vorkommt. Ich fahre jeden Tag daran vorbei, an dem blau-weißen Schild

BRIAN SPEER, IMMOBILIEN. 978-7878.
    Auf dem Foto hat er dunkle Haare und wirkt sehr selbstbewusst, ein Model für Zahncreme. Er sieht aus, als wäre er verliebt.
    »Das gibt’s doch nicht«, sagt Sid.
    »Jetzt weißt du, wie er aussieht«, sagt Alex.
    Ich bleibe bei dem Stoppschild stehen, und wir betrachten eine ganze Weile sein Bild, ohne ein Wort zu sagen.
    »Zufrieden?«, fragt Alex.
    »Nein«, sage ich.

20
    Ich habe mir seine Telefonnummer gemerkt, ihn aber noch nicht angerufen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Die Nummer geht mir ständig durch den Kopf. Irgendwann muss ich sie wählen, das ist klar.
    Ich sitze allein am Esstisch und schaue hinaus in unseren Garten und zu

Weitere Kostenlose Bücher