Mit deinen Augen
Art Arschhängematte«, knurrt er und fängt an, in den Unterlagen zu blättern.
Das ist alles so phänomenal, so ein Zufall. Ich schaue zu meinen Vettern hinüber, die um den Pool herumstehen. Ihre Zähne sind sehr weiß, ihre Haut ist walnussfarben. Was ist nur mit mir los? Weshalb bin ich nicht wie sie?
»Hast du eigentlich manchmal Schuldgefühle deswegen?«, frage ich. »Wegen all dem hier.« Ich halte die Papiere hoch.
»Nein«, sagt Hugh. »Ich hab doch nichts verbrochen.«
»Ich weiß.« Klar, er hat recht. Es ist so ähnlich, wie wenn man wegen seiner Augenfarbe ein schlechtes Gewissen hätte. Ich fühle mich höchstens deswegen schuldig, weil meine Frau dachte, sie würde ein anderes Leben haben. Sie hätte mit einem charismatischeren Mann als mit mir zusammen sein sollen. Mit jemandem, der stärker und lauter ist als ich, mit einem Kerl, der dynamisch agiert und sich den Mund mit dem Handrücken abwischt. Ich stelle mir vor, wie sie Brians Haus in Black Point betritt. Bei dem Gedanken taucht Julies Bild vor mir auf. Ich kann mir genau vorstellen, wie Joanie ihr Zuhause begutachtet, sich über den Nippes und über die Kunstwerke an den Wänden lustig macht und dabei sofort überlegt, wie sie alles umdekorieren würde. Ich möchte sie bremsen. Es ist Julies Haus. Julie kann den Grill anwerfen.
»Joanie geht es nicht gut«, sage ich zu Hugh.
Sein Stift wandert über die erste Seite. Ich sehe seine kindliche Unterschrift; sie ist deutlich lesbar. Kurz legt er seine Hand auf meine. Sein Arm sieht aus, als hätte man die Haut abgezogen. Er ist rot und fleckig. »Sie wird’s schon schaffen«, sagt er. »Sie ist eine Kämpferin.«
»Nein«, sage ich, »sie wird es nicht schaffen. Sie wird sterben. Wir haben die Geräte abgeschaltet.«
Ich trinke einen Schluck von Hughs Cocktail, weil er vor mir auf dem Tisch steht und ich keinen eigenen habe. Hugh ist der oberste Cousin, der Chef des Clans, und er sagt uns schon immer, was wir tun und denken sollen. Er bestimmt, was wir bauen, was wir einreißen und - jetzt in diesem Fall - was wir verkaufen und an wen. Ich will hören, was er dazu zu sagen hat, dass meine Frau stirbt. Ich stelle sein Glas wieder auf den Tisch.
Er schaut erst auf seinen Drink, dann zu mir. »Nimm ruhig noch einen Schluck«, sagt er.
»Ist schon gut.« Ich starre auf die Papiere. Auf dem Stift steht HNL REISEN. »Ich kann nicht unterschreiben.«
Er nimmt sein Glas, schwenkt es leicht, führt es dann an den Mund, trinkt einen Schluck und spuckt einen Eiswürfel aus. »Er wird unsere Schulden übernehmen«, sagt er. »Du musst nur unterschreiben, fertig, aus, dann kannst du zu deiner Frau fahren.«
»Ich will nicht, dass alles an Holitzer geht. Ich will nicht, dass es an Brian Speer geht.Wir können die Schulden aus eigener Kraft tilgen. Ich möchte das Land behalten.«
Er runzelt die Stirn. »Wir brauchen deine Zustimmung.«
Ich schüttle den Kopf. Er bekommt meine Zustimmung nicht. Niemand bekommt irgendetwas von mir.
»Ich kann nicht«, sage ich. »Ich tu’s nicht.«
Ich denke an die Prinzessin. Als sie starb, wollte sie, dass das Land dafür verwendet wird, eine Schule für Kinder hawaiischer Abstammung zu gründen. Diesen Wunsch hat sie nur mündlich geäußert, nicht vertraglich festgelegt. Ich habe kein Interesse an seiner Erfüllung. Eine Schule ausschließlich für hawaiische Kinder erscheint mir nicht sinnvoll. Es gibt schon einige, und sie sind alle absolut elitär, um nicht zu sagen, verfassungswidrig. Aber jetzt begreife ich, dass ich es nicht aufgeben will - das Land, das reiche Erbe unseres Stammes, die Hinterlassenschaft der Toten. Das letzte Stück Grund und Boden, das sich noch in hawaiischem Besitz befindet, wird verloren sein, und das mit meinem Zutun. Obwohl wir nicht hawaiisch aussehen, weil durch ständig neue Vermischungen unsere ethnische Zugehörigkeit verschleiert wurde - unsere flachen Gesichter haben schärfere Konturen angenommen, die grisseligen Haare sind glatter - und obwohl wir uns wie Haoles verhalten, obwohl wir Privatschulen und private Clubs besuchen und nicht richtig Pidgin-Englisch sprechen können, sind meine Mädchen und ich Hawaiianer, und dieses Land gehört uns.
»Warum auf einmal?« Hugh stützt sich mit den Armen auf den Tisch auf. Ich sehe die Poren in seinem roten Gesicht, ich sehe seine buschigen weißen Augenbrauen, die in die glänzende und erstaunlich glatte Stirn wuchern. Ein Schweißtropfen rinnt vom Haaransatz über die Nase
Weitere Kostenlose Bücher