Mit dem falschen Bruder im Bett
müsste.
Er hielt inne, holte tief Atem und setzte sich aufs Bett. Er sah Melinas Übernachtungstasche und wusste, dass sie nicht aus dem Bad kommen würde, bis sie dachte, dass er gegangen war. Er packte die Tasche und wollte sie schon den Gang hinunter werfen. Stattdessen schob er sie weit nach hinten unter den Schreibtisch, außer Sichtweite. Er wollte es ihr nicht leicht machen, ihn zu verlassen.
Er ließ sich aufs Bett fallen und starrte die Zimmerdecke an, um die Dinge zu ordnen. Er war wütend, ja, aber er konnte jetzt auch mit klarem Kopf nachdenken, etwas, das er offensichtlich nicht gekonnt hatte, als Melina in Unterwäsche letzte Nacht vor ihm stand.
Sein klar strukturiertes Denken war der Grund dafür, dass die Aufführungen mit seinem Bruder klappten. Hinter den Kulissen war Max der deutlich Extrovertiertere. Seine Leidenschaft und Begeisterung für die Show waren das, was Rhys‘ unverfälschtes, jedoch ruhigeres Interesse an Zauberei anstachelte. Anders als sein Bruder war Rhys nicht impulsiv. Niemals. Er durchdachte die Dinge, ob es die Glaubwürdigkeit eines Zaubertricks war, ob es die Position im Raum war, die ihm den größten Vorteil verschaffte, wenn es um Illusion ging, oder ob es um eine Frau ging, die mehr an seinem Ruhm interessiert war als an dem Mann, der er eigentlich war.
Obwohl es mehr von der ersteren Sorte gab als von der letzteren, bedeutete das nicht unbedingt, dass er eine Frau zurückweisen würde, nur weil sie das Rampenlicht liebte. Er wollte einfach nur von Anfang an wissen, wo er da hineingeriet. Auf diese Weise konnte er die Kontrolle behalten, von Anfang bis Ende, wie bei seiner Zauberei.
Er entschied, was die Leute sahen und nicht sahen.
Er ließ Dinge geschehen.
Aber nicht bei Melina. Er hatte bei ihr niemals diese Kontrolle gehabt, und mehr als alles andere hatte wahrscheinlich genau das ihn von ihr fern gehalten. Wenn er nicht einmal seine Gefühle für sie kontrollieren konnte, was ließ ihn dann glauben, dass er, wenn er sie einmal hätte, fähig wäre, sie zu verlassen? Und verlassen würde er sie, denn das war genau das, was er und sein Bruder ständig taten. Es lag ihnen im Blut. Er konnte sich nicht vorstellen, ständig an einem Ort zu bleiben, Tag für Tag, Monat für Monat, immer im gleichen Job zu arbeiten. Nicht einmal für Melina.
Oder um noch genauer zu sein: Er konnte es sich vorstellen, aber er konnte nicht glauben, dass solch ein Zauber wirklich möglich wäre. Nicht von seiner Seite. Und auch nicht von ihrer Seite.
Das Erste, das er gedacht hatte, als sie ihn Max genannt hatte, war: „Nicht schon wieder!“ Er liebte seinen Bruder, aber manchmal fühlte er sich so, als ob er in seinem Schatten lebte. Dass niemand ihn als den betrachtete, der er wirklich war, weil sie immer ein Paar waren.
Das Einzige, das ihn davon abhielt, restlos auszuflippen, war die Tatsache, dass sie letzte Nacht seinen Namen gesagt hatte, gleich nachdem er ihr unbestreitbar die besten Orgasmen ihres Lebens gegeben hatte. Ihre Schutzmechanismen waren außer Kraft gesetzt, und sie hatte ganz klar nicht bemerkt, dass Max nicht aufgetaucht war.
Und dennoch hatte sie seinen Namen gesagt.
Das bedeutete viel. Gerade jetzt bedeutete das alles.
Seine rechte Schulter juckte intuitiv, kurz bevor das Telefon klingelte. Er rollte hinüber, streckte sich nach dem Telefon, nahm es und wusste sofort, wer es war. „Du bist so tot!“
Stille. Dann ein zögerndes „Wo ist Melina?“
„Hör mal, du kleiner …“
„Wenn das dein Bruder ist“, schrie Melina vom Bad aus, „dann kannst du ihm sagen, dass er ein toter Mann ist, sobald ich ihn sehe.“
„Schon geschehen, Marienkäferchen“, rief Rhys durch zusammengebissene Zähne zurück.
„Sie ist noch da?“ Max klang so stolz auf sich selbst, dass Rhys den Hörer fester packte und sich wünschte, es wäre der Hals seines Bruders. „Also wo ist das Problem, Alter? Ich nehme doch an, dass du die Situation zu deinem Vorteil genutzt hast?“
„Das ist das Problem, Max. Ich nutze Frauen nicht zu meinem Vorteil aus, besonders nicht Melina.“
„Also hast du nicht …“ Sein Bruder räusperte sich. „Du weißt schon?“
„Nein. Warum klärst du mich nicht auf? Was genau dachtest du würde passieren, Max?“
„Trug sie etwas Aufreizendes?“
Rhys erinnerte sich an Short und Top, die nach durchschnittlichen Maßstäben bescheidene und einfache Unterwäsche, die sie getragen hatte und die nun auf dem Boden lag. „Einen
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