Mit dem Teufel im Bunde
nicht versteht. Schulden können ehrenrührig sein, wenn man sie bei den falschen Leuten und aus unschicklichem Grund gemacht hat. Wer solche Schuldscheine besitzt, hat Macht.»
«Und kann die Schuldner – erpressen? Sibylla hat diese Leute erpresst?»
«Das weiß ich nicht», sagte Rosina zögernd und entschied rasch, es sei falsch, nun Madam Augustas Geschichte preiszugeben. «Vielleicht hat sie es nur vorgehabt, oder sie hat sich mit diesen Scheinen – ich weiß nicht. Gegen etwas abgesichert? Womöglich für eine spätere Gelegenheit, falls sie ein Mittel brauchte, um ihre Wünsche durchzusetzen. Es gibt viele Möglichkeiten. Lasst uns zuerst versuchen, diese Notizen zu entziffern, vielleicht finden wir dort Aufklärung. Ist das ihre Schrift?»
«Ja, auf allen Bögen, auch auf den kleinen Zetteln.» Julianes Stimme war nun fest, Rosina hätte gerne ihre Gedanken gewusst, doch ihr Gesicht verriet nichts mehr. «Zuerst dachte ich, es handele sich um Teile eines Tagebuches. Einiges kann ich nicht entziffern, aber ich denke, es sind ausschließlich Notizen über Angelegenheiten anderer Leute. Einige Namen kenne ich, und nicht nur die Namen. Ich fürchte», sie lächelte entschuldigend, «ich fürchte, Ihr auch. Eigentlich war ich gestern in der Katharinenkirche, weil ich Meister Taubner um Hilfe fragen wollte. Als ich Euch sah und Euren Namen hörte – bis dahin kannte ich Euch ja nicht, aber man hatte mir von Euch erzählt –, beschloss ich, statt seiner Eure Hilfe zu erbitten.»
«Warum mich? Ihn kennt Ihr länger. Zudem besser, wenn man glauben darf, was geredet wird.»
«Was geredet wird, ja. Es wird viel geredet.» Sie schob ihren Stuhl zurück und trat ans Fenster. «Es stimmt», sprach sie gegen die Scheibe, «es gab eine Zeit, in der ich, nein, in der
wir
uns sehr verbunden fühlten. Sibylla hat verhindert, dass mehr daraus wurde, das weiß ich inzwischen. Auch, warum.» Sie drehte sich heftig um, ihr Gesicht warbleich vor Zorn. «Ich hatte gedacht, sie gönne mir so ein Glück nicht, ich habe auch gedacht, ein Stuckator-Meister sei ihr nicht gut genug für eine van Keupen.» Sie spuckte den Namen ihrer Familie in den Raum wie eine überraschend bittere Mandel. «Nicht gut genug! Ich war so dumm. Sie muss auch andere Verbindungen verhindert haben, mit Intrigen, böser Rede, was weiß ich? Ich kann es immer noch nicht glauben. Nein, Madam, bei meiner Heirat hätte sie Tillmanns Nachlassregelung offenlegen müssen. Alle glaubten zu wissen, dass er eine gute Mitgift für mich hinterlegt hat, man hätte also Fragen gestellt. Ich habe nie widersprochen. Ich schämte mich zu sehr, weil ich immer dachte, er habe mich weniger geliebt, als er mich mit einem so winzigen Nadelgeld zurückließ. Das sollte niemand wissen. Aber das stimmt nicht. Ich habe noch eine andere Mappe gefunden, in einem Geheimfach in ihrer Schlafkammer. Glaubt mir, Madam Vinstedt, ich musste sehr gründlich danach suchen. Darin habe ich entdeckt, dass ich gar keine arme Verwandte bin. Tatsächlich hat Tillmann mir genug hinterlassen, um ein unabhängiges Leben zu führen. Bescheiden, aber unabhängig.» Sie presste die Hände auf ihre erhitzten Wangen, bis sie ruhiger fortfahren konnte. «Sibylla hat mich betrogen. Um mein Erbe und um meine Würde.»
Rosina hoffte, überrascht auszusehen. Alles, was sie gerade gehört hatte, bestätigte die Gerüchte. Und dass Juliane van Keupen einigen Grund gehabt hatte, ihre Schwägerin zu hassen. Allerdings hatte sie von dem Betrug erst nach Sibyllas Tod erfahren – wenn es der Wahrheit entsprach, was sie gerade gesagt hatte.
«Ihr habt sagt, Ihr seid gestern in die Katharinenkirche gegangen, um Meister Taubner zu sprechen, um ihn um Rat zu fragen. Ihr werdet verzeihen, wenn ich sage, dass Ihraussaht, als wäret Ihr plötzlich von einer alltäglichen Verrichtung aufgesprungen und den ganzen Weg gerannt.»
«Genauso ist es gewesen, allerdings habe ich versucht, nicht zu sehr zu rennen.»
«Und dann habt Ihr plötzlich vorgezogen, mir zu vertrauen, einer Euch fremden Frau. Wenn Eure Verbindung einmal sehr eng war, warum habt Ihr ihm weniger vertraut?»
«Ihr wisst heikle Fragen. Nun frage ich mich tatsächlich, was ich
Euch
anvertrauen darf.» Wieder lachte sie, diesmal klang es künstlich und schrill. «Es ist alles so verwirrend. Für mich ist er immer noch – von Bedeutung. Ein kühles Wort, nicht wahr? Erspart mir innigere Vokabeln, ich bin in ihrem Gebrauch ungeübt. Ich glaube, es
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