Mit dem Teufel im Bunde
Sonntagnachmittag auf der Straße ansprach. Und sehr allein sein.
«Womöglich kennt Ihr das Gasthaus nicht», fuhr sie auf Julianes Zögern fort, «es ist von der einfachen Art, aber der Wirt ist ein Freund, und die Suppen würden selbst Eurer Küche Ehre machen.»
«Unsere Küche, ja. Es mag bessere geben, doch …» Mademoiselle van Keupen gab sich einen Ruck. «Es ist unverzeihlich, Euch einfach so zu überfallen. Aber nachdemich Euch gestern getroffen hatte, fiel mir ein, Ihr könntet mir vielleicht helfen. Und die Freundlichkeit haben, es zu tun. Ich weiß, Ihr seid in diesen Dingen erfahren, wenn Ihr eine Stunde erübrigen könntet …»
Zwei Minuten später sah Magnus unwillig der Kutsche nach, die mit Rosina und Mademoiselle van Keupen davonrollte. Sie hätte ihn wenigstens fragen können, schließlich war sie seine Ehefrau. Was hieß überhaupt ‹Frauenangelegenheit›? Rosina hatte nicht einmal gefragt, was die nervöse Mademoiselle damit gemeint hatte.
Er drückte den Dreispitz tiefer in die Stirn und ging, immer gegen den Wind, mit langen Schritten über den Gänsemarkt. Er hatte gewusst, dass er keine gewöhnliche Frau heiratete, und sich fest vorgenommen, ihrer einzigen Bedingung zu entsprechen, nämlich zu akzeptieren, dass sie auch eigene Entscheidungen traf und die Ehe nicht als die Verbindung von Herr und unmündiger Frau des Hauses verstand, sondern zweier Menschen, die bei aller Gemeinsamkeit und gegenseitiger Rücksicht eigenständig fühlen und denken. Obwohl er es für besser gehalten hatte, diese freidenkerische Auffassung seinen Freunden vorzuenthalten, klang ihm das auch jetzt noch edel und sogar vernünftig. In der täglichen Praxis war es jedoch recht unbequem. Er hatte nicht bedacht, dass auf Fühlen und Denken gewöhnlich das Handeln folgt.
Er hatte sich seine Sonntage anders vorgestellt als diesen. Wenigstens brauchte er sich nun nicht um sie zu sorgen, in Mademoiselle van Keupens Salon konnte ihr nichts geschehen. Wer immer Sibylla van Keupen getötet hatte, gerade dort würde er sicher nicht auf weitere Opfer warten.
***
Als sie den lichten Salon mit der kunstvollen Stuckdecke im van Keupen’schen Haus betrat, atmete Rosina auf. Die düstere Diele mit dem von großen Kerzen gespenstisch beleuchteten Sarg der toten Hausherrin, die unter dem schwarzverhängten Podest hervorschießende und ins Souterrain flüchtende rote Katze, das plötzliche Erscheinen der schwarzgekleideten Köchin, die sie mit ihren geröteten Augenlidern streng anblickte – all das hatte ihr das Gefühl gegeben, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Die Atmosphäre des alten Hauses wirkte bedrohlich. Sie fürchtete nicht um ihre Sicherheit, daran dachte sie nicht einmal, sie fürchtete – sie wusste es nicht. Womöglich nur eine Unbequemlichkeit.
Auch hätte sie Magnus nicht einfach zurücklassen dürfen. Zumindest hätte sie die Form wahren und fragen müssen, ob es ihn sehr störe, allein weiterzugehen. Es war nur eine Floskel, er war zu höflich, um in Gegenwart Dritter die Wünsche seiner Frau abzulehnen. Aber manche Floskeln waren Brücken, sie zeigten, dass man den anderen nicht übersah. Noch etwas, worin sie sich üben musste. Und wollte. Als sie endlich eingewilligt hatte, ihn zu heiraten, hatte sie sich vorgenommen, den Weg über den schmalen Grat zwischen eigenen Wünschen und Entscheidungen und dem gemeinsamem Leben zu finden. Er war zu schmal, um nicht ab und zu von ihm abzukommen. Magnus würde das verstehen, darauf vertraute sie fest.
«Ich habe ein wenig gelogen», gestand Juliane, als sie einander gegenübersaßen. «Ich möchte Euch alleine sprechen, da fiel mir nur ein, von einer Frauensache zu reden. Eigentlich ist es ja auch eine, sie handelt von mir und meiner Schwägerin. So etwas langweilt die Herren für gewöhnlich, ich dachte», sie lächelte unsicher, «ach, ich weiß nicht genau, was ich dachte, und ich will auch nicht darüber grübeln,was Ihr von mir denken müsst. Das weiß ich dieser Tage nicht einmal selbst.»
Es sei so viel geschehen, so viel bis dahin Undenkbares. Nun habe sie einige Papiere gefunden, die sie mit jemand besprechen müsse, der über einen klaren Kopf verfüge und sich besser als sie selbst mit solchen Dingen auskenne.
Rosinas Unbehagen war verflogen, der Raum war trotz des trüben Himmels hell und freundlich, der Kachelofen verstrahlte behagliche Wärme, und die nicht mehr ganz junge Frau ihr gegenüber machte sie immer neugieriger.
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