Mit dem Teufel im Bunde
Feder hatte tüchtig gekleckst.
Auf dem nächsten – er wäre ihr fast aus der Hand gerutscht – standen der Name des Weddemeisters und seiner Frau. Es war säuberlich, lesbarer als das Übrige, notiert, dass Karla als verurteilte Diebin im Spinnhaus gesessen hatte, wegen geringer Schuld begnadigt und bei der Hebamme Matti (nur der Vorname war vermerkt) auf dem Hamburger Berg untergebracht worden war. Es folgte eine unleserliche Zeile und schließlich die Heirat mit dem Weddemeister. Hier gab es auch das Datum. Überflüssige Notizen, all das war in der Stadt bekannt. Die Aufregung darum hatte sich damals bald gelegt.
Auf weiteren drei Zetteln fehlten die Namen, auf dem nächsten entdeckte Rosina auch keinen, doch was sie las, ließ sie verblüfft innehalten. Es klang wie ihre eigene Geschichte.Als sie ‹Jean und H. Becker› entzifferte, die Namen ihrer einstigen Prinzipale, gab es keinen Zweifel mehr.
«Ich sagte ja, dass Ihr den einen oder die andere kennen würdet», sagte Juliane. «Sie hat aber nicht viel herausgefunden, da steht nur, was bekannt ist, nicht wahr?»
Rosina schüttelte, immer noch verblüfft, den Kopf. «Es ist unglaublich. Da steht sogar weniger als das. Wozu sollte das nützen? Alle Welt weiß inzwischen, woher ich komme und dass ich Komödiantin bin. Oder war. Dass ich hin und wieder dem Weddemeister helfe und Magnus geheiratet habe. M. V. kann nur seinen Namen meinen, und – was soll das heißen?»
«Dass Ihr mit den Herrmanns’ befreundet seid, glaube ich. Und mit dem Weddemeister. Und», sie kniff die Augen zusammen und hielt den Zettel gegen das matt werdende Licht, «Struensee? Ja, es heißt J. F. Struensee. Kanntet Ihr ihn?»
Rosina nickte flüchtig. «Was ist daran interessant? Ganz Altona und halb Hamburg kannten ihn. Legt den Wisch zu den anderen, ich will ihn gar nicht sehen. Ich bin unbedeutend und auch sonst keine, die man mit irgendetwas erpressen kann.»
«Vielleicht Euer Gatte?», fragte Juliane sanft.
«Unsinn», sagte Rosina schroff und griff nach dem nächsten Zettel, aber der kleine giftige Pfeil war steckengeblieben. «Dieser ist wieder ohne Namen. Warum hat sie manchmal die Namen notiert und manchmal nicht?», überlegte sie. «Das macht keinen Sinn, oder?»
Darauf wusste auch Juliane keine Antwort.
«Hier haben wir offenbar wieder einen Herrn, der es mit der Moral nicht so genau nimmt», sagte Rosina. «Es sieht so aus, du meine Güte, es sieht tatsächlich so aus, als habe er geheiratet.»
«Das kommt vor», stellte Juliane fest und beugte sich auch über das Papierchen.
«Aber nicht, wenn er schon eine Frau hat. Oder verstehe ich diese Zeichen falsch?»
Juliane runzelte nur die Stirn. Sie verstand die Zeichen überhaupt nicht, sie war erschöpft und froh, dass nur noch ein Zettel übrig war.
«Diese beiden ineinandergemalten Kringel sind das Zeichen für eine Eheschließung», erklärte Rosina ungeduldig, «und hier, noch einmal dieses Zeichen. Hinter den ersten Kringeln steht aber nicht das Kreuz, das Zeichen für gestorben, dort steht – heißt das nicht ‹verschollen›?»
«Es könnte sein, ich kann es nicht entziffern. Aber ein Datum fehlt.»
Rosina knabberte ratlos am Mittelgelenk ihres Zeigefingers, während ihre Augen weiter über die knappen Notizen glitten.
«Ich glaube, sie hat dort keine Namen notiert, wo es für ihre eigenen Interessen nachteilig würde, falls jemand anderes diese Notizen fände.»
«Dazu war die Mappe viel zu gut versteckt.»
«Ach ja?
Ihr
habt sie gefunden. Das Datum der zweiten Eheschließung ist auch nicht notiert. Vielleicht war das nicht nötig, oder sie wusste es nicht genau.»
«Oder sie hatte es im Kopf und keine Sorge, es zu vergessen.»
«Ja», stimmte Rosina zu, «oder das. Zwischen dem ersten und zweiten Doppelringsymbol steht etwas, das wie ‹mit B› aussieht. Dahinter sind zwei Ausrufezeichen gesetzt. B und – was denkt Ihr?»
«Es könnte auch ein flüchtiges H sein, aber nein, wohl doch eher ein B. Und dann? Neue? Niwe? Nein, das ist nicht möglich.»
«Was? Was lest Ihr? Was ist nicht möglich?»
Es klopfte, die Tür öffnete sich, und anstatt zu antworten, presste Juliane die Lippen aufeinander.
«Ich bringe Kerzen, Mademoiselle», sagte Erla und stellte einen dreiarmigen Silberleuchter auf den Tisch, die Flammen der Honigwachskerzen flackerten im Luftzug. «Ihr habt kaum gegessen, schmeckt es nicht?»
«Doch», versicherte Rosina ungeduldig, «es ist ausgezeichnet. Lasst
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