Mit dem Teufel im Bunde
pietätvoll sein, Wagner, aber wenn sie von einem dieser Holzstücke erschlagen wurde, macht das den Kreis der möglichen Täter erheblich kleiner, als wenn es eine üblichere Waffe gewesen wäre. Denkt Ihr nicht? Wer wusste von diesen Klötzen? Wer
konnte
davon wissen?»
«Immer noch genug», knurrte der Weddemeister, «immer noch zu viele. Ich nehme an, diese Klötze», er stieß unwillig mit der Stiefelspitze gegen das harte Holz, «gehören zu den Gerätschaften, die Baumeister Sonnin und seine Leute für die Turmbegradigung brauchen. Sicher waren in den letzten Tagen noch nicht alle hier oben, aber einige. Dann ist da noch der Organist, auch der Küster. Den Kirchendiener können wir streichen, der alte Weller mag noch die Altarleuchter und die Kerzen tragen, einen solchen Klotz aus alter Eiche kann er kaum bewegen. Und, nun ja, natürlich der Baumeister selbst.»
«Monsieur Sonnin?» Rosina lachte. «Es gibt eine Menge Leute, die ihn nicht mögen, ihn der Freidenkerei oder gar der Zusammenarbeit mit dunklen Mächten bezichtigen, aber Ihr als ein vernünftiger Mensch werdet unseren genialen Baumeister doch nicht im Verdacht haben.»
«Nun ja», sagte Wagner noch einmal und wischte energischheftig ein von der Decke gefallenes Stück Kalkfarbe von seinem Rock, «nicht wirklich. Allerdings verbietet mein Amt, einen Verdacht leichtfertig auszuschließen. Ja, auszuschließen.»
Plötzlich war sie wieder da, die Umständlichkeit und Unsicherheit, gepaart mit einem Anflug von Trotz. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er bei allem Unbehagen den Baumeister in den Kreis der Verdächtigen einbezogen hatte.
Rosina fand es überflüssig, auf ihrer Meinung zu beharren. So absurd die Vermutung schien, im Prinzip hatte Wagner recht.
«Und zum anderen», überlegte sie weiter, «wer wusste, dass Madam van Keupen um diese Stunde hier war? Oder denkt Ihr, jemand habe sie zufällig in die Kirche gehen sehen, wusste von den Klötzen und hat die Gelegenheit genutzt? Das klingt unwahrscheinlich.»
So weit hatte Wagner noch nicht überlegt, er dachte gründlich, aber langsam. Er hatte gewusst, Rosina würde ihm helfen, schneller zu denken. Leider half es in dieser Frage wenig.
«Das wusste die halbe Stadt. Fragt Madam Augusta oder Madam Herrmanns, die wissen es sicher auch. Sie war an jedem Dienstagabend hier, um ihres verstorbenen Gatten zu gedenken. Am frühen Abend, immer um die gleiche Stunde.»
«In jeder Woche?» Rosina war beeindruckt. «Ist er nicht schon vor Jahren gestorben?»
«Vor acht Jahren. Sie war, nun ja, eine treue Seele.»
Er erinnerte sich an seinen Besuch in ihrem Kontor und fand, sein letzter Satz habe falsch geklungen. Irgendwie.
KAPITEL 4
MITTWOCH, NACHMITTAGS
Es wäre übertrieben zu behaupten, der gewaltsame Tod Sibylla van Keupens habe die ganze Stadt in Aufruhr versetzt. In den Hinterhöfen und Kellerwohnungen kümmerte das Ende einer reichen Handelsfrau niemanden, dort kannte man kaum ihren Namen. Auch die andere Tote hätte keine Beachtung gefunden, allein die Tatsache, dass am selben Tag am selben Ort, der zudem eine der Hauptkirchen war, zwei tote Frauen entdeckt worden waren, machte die Sache interessant. Da aber das tote Mädchen eine Unbekannte war, wurde bald wieder über anderes geredet. Solange er nicht die eigene Familie betraf, war der Tod in diesen Quartieren nichts Besonderes.
In den Salons und Kontoren, an der Börse oder in den besseren Kaffee- und Gasthäusern hingegen, auch in den Küchen der reichen Häuser wurde der doppelte Tod in der Katharinenkirche als außerordentliches Ereignis empfunden. Die meisten hatten Sibylla van Keupen gekannt, zumindest den Namen gehört, alle wussten, welche Rolle sie in der Gesellschaft der Kaufleute gespielt hatte. Man hatte ihr Respekt entgegengebracht, auch Verehrung, von Freundschaft wurde weniger gesprochen. Madam Schwarzbach allerdings verbrachte den ganzen Vormittag damit, sich mit Zwergspitz Antoinette im offenen Wagen durch die Stadt kutschieren zu lassen, um allen Bekannten, die das Pech hatten, ihr zu begegnen, ihrer tiefen Trauer, ihres Entsetzens und des großartigen Charakters ihrer liebstenFreundin Sibylla zu versichern. Die Innigkeit dieser bisher als recht allgemein gegoltenen Bekanntschaft war allen neu. Die Kutsche kam langsam voran und sorgte in der engen Altstadt mehrfach für verstopfte Straßen, was zu üblen Beschimpfungen des unschuldigen Kutschers führte, der zu seinem Glück halb taub war. Das erleichterte auch
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