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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Wahrscheinlich war sie eine ehemalige Hausmagd, ihre Hände zeugen von Arbeit. Sie wird wie viele dieser dummen Dinger in der Gosse gelandet sein und hat hier ihr Ende gefunden. Traurig», murmelte er und dachte an seine Frau, die beinahe auf den gleichen Weg geraten wäre.
    «Werdet Ihr herausfinden, wer sie ist?»
    Wagner zuckte mutlos die Achseln. «Wenn jemand kommt und nach einem verlorengegangenen Mädchen fragt, vielleicht. Das kommt bei solchen selten vor. Wer immer sie vermisst, will sie tot nicht zurück. Das macht Ärger und Kosten für das Armengrab. Hier kannte sie niemand,weder der Kirchendiener, noch der Küster und der Organist, der Hauptpastor, der Archidiakon und zwei der Diakone. Die haben sie alle angesehen, ansehen müssen, sozusagen. Keiner hatte sie je zuvor gesehen. Wahrscheinlich hat sie gebettelt oder kam aus einer der üblen Schänken in den Gängen um Sankt Jakobi. Leute von dort werden kaum nach ihr suchen.»
    Anders als die meisten Bürger kannte Rosina sich in den Gängevierteln, diesen Labyrinthen von Elend und Verfall, aus. Fröstelnd zog sie den herabgerutschten Schal über die Schultern und blickte starr zu der dunklen Ecke unter der südlichen Empore.
    «Nein, aus den Gängen wird niemand nach ihr suchen», stimmte sie zu, «selbst wenn sie jemand vermisst. Wollt Ihr so genau wissen, seit wann sie hier saß, weil der Physikus sagt, sie sei gegen Mittag gestorben?»
    «Ja. Dann wüsste ich, ob sie tatsächlich hier gestorben ist. Oder ob sie, ja, ob sie jemand hier abgelegt hat. Sozusagen.»
    «Dann wurde sie immerhin in einer Kirche ‹abgelegt›. Das zeugt von Respekt. Es hätte ja auch die Elbe sein können.»
    Wagner schwieg, seine Vorstellung von Respekt war eine andere.
    «Vielleicht waren es gar nicht ihre Kleider», überlegte Rosina.
    «Ihr meint, sie hat die Lumpen gestohlen?»
    «Nicht gestohlen, Wagner, Euer Beruf verdirbt Euer Denken. Ihr habt gesagt, für eine aus der Gosse war sie recht sauber, und ihre Füße waren Schuhe gewöhnt. Dabei geht der Sommer erst zu Ende, gerade in den Gängevierteln bleiben viele selbst im Januar barfüßig. Es dauert auch eine ganze Weile, bis aus Kleidern Lumpen werden. HabtIhr nicht gesagt, ihre seien zu weit und zu kurz gewesen? Junge Menschen werden dünner, selten kleiner. Vielleicht trug sie eigentlich bessere Kleider, und jemand hat die gegen entbehrliche alte Fetzen getauscht, um ihre zu verkaufen oder selbst zu tragen. Wenn sie tatsächlich ein schweres Fieber hatte, konnte sie sich nicht wehren. Und ob sie überhaupt an dem Fieber gestorben ist, ist noch ungewiss, oder?»
    Wagner brummte Unverständliches. Die unbekannte junge Tote war Anlass zu der einen oder anderen Überlegung, gewiss, doch sie war tot, nicht ermordet, und vermutlich vermisste sie niemand. Sie würde im Armengrab enden und konnte mit der Notiz im Kirchenbuch vergessen werden. So war das Leben in einer großen Stadt mit ganzen Vierteln voller Hungerleider.
    «Der Physikus war recht sicher, Rosina, er sprach von Wechselfieber. Das ist gut möglich, besonders wenn sie aus einem sumpfigen Landstrich gekommen ist, die sind in dieser Gegend ja zahlreich. Was aber Madam van Keupen betrifft: An der Ursache
ihres
Todes gibt es keinerlei Zweifel. Leider, ja. Der Klotz ist von dort auf sie herabgestürzt», er zeigte mit dem Kinn zur Orgelempore hinauf, «und so ein Klotz fällt nun mal nicht von selbst, es sei denn, bei nachlässigen Zimmerleuten von einem Baugerüst. Kommt mit», sagte er und ging mit raschen Schritten zu einer schmalen Tür, hinter der die Treppe zur Orgelempore und weiter hinauf zum Turm führte. Rosina musste laufen, um ihm zu folgen.
    «Hier», sagte er, oben angekommen, und zeigte auf drei unsauber gesägte Holzklötze und einige Bretter am Fuß der Balustrade. «Ich bin sicher, gestern Nachmittag waren es noch vier.»
    Rosina hatte schon einige Mordinstrumente gesehen,Messer, eine tönerne Zuckerhutform, eine Kiste voll Schwarzpulver, in London gar einen mörderischen Mastiff. Sie hatte erlebt, dass man mit Hilfe von Eis hinter einer verschlossenen Tür, einem steilen Abhang im Gebirge, dem mit der Flut steigenden Fluss oder mit Gift morden konnte. Die Holzklötze erschienen in ihrer Schlichtheit besonders bedrohlich. Und verräterisch. Sie beugte sich über die Brüstung und sah genau unter sich den Stuhl vor dem van Keupen’schen Epitaph. Es war einfacher, jemanden unten zu treffen, als es von dort schien.
    «Der Gedanke mag wenig

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