Mit dem Teufel im Bunde
bisschen weniger, wenn Rosina und ihre vornehmen Freunde sich mehr oder weniger gebeten in seine Arbeit einmischten. Obwohl es niemals ausgesprochen wurde, wusste er genau, dass Rosinas Neugier und ihr undamenhafter Mangel an Scheu, sich auf die Spur von Mord und Totschlag und in die düstersten Quartiere der Stadt zu wagen, ihm aus einigen Patschen geholfen hatten. Auch wenn die Spur in vornehme Häuser führte, die man ihn am liebsten nur durch den Dienstboteneingang betreten ließ. Leider pflegte Rosina die Unart, Informationen, von denen er unbedingt sofort hätte erfahren müssen, zurückzuhalten, bis sie noch mehr herausgefunden hatte.
Trotzdem, gerade Rosinas Freundschaft mit den Herrmanns’ und Madam Augusta ließ ihn auch manches erfahren,was sonst hinter kostbaren Gardinen großer Häuser gänzlich verborgen bliebe. Die Herrmanns’ waren mit allen bekannt, die in der Stadt etwas galten, und empfanden es als anregenden Zeitvertreib, an dem degoutanten Metier eines Weddemeisters teilzuhaben. Inzwischen schwitzte Wagner schon weniger, wenn er einem Senator, einem wohlhabenden Kaufmann oder einer in schimmernden ostindischen Zitzkattun gekleideten Dame gegenüberstand. Er klopfte jetzt nur noch an die Vordertüren, egal mit wie reichem Schnitzwerk sie geschmückt waren.
«Madam van Keupen gehörte das Haus, in dem wir wohnen», erklärte Rosina entschuldigend, als ob das nötig sei. «Ich kannte sie nicht, Magnus hat im Keupen’schen Kontor unseren Kontrakt unterzeichnet, doch vielleicht», ihr Gesicht verzog sich zu diesem kleinen Lächeln, das einen Kenner exotischer Tiere einmal an einen Ozelot erinnert hatte, «kann ich behilflich sein. Von unserer Wohnung sehe ich über den Hof zwei Fenster ihres Kontors.»
«Keinesfalls», sagte Wagner, «ich meine, Ihr stört keinesfalls. Ich, nun ja, ich habe Euch erwartet, sozusagen, als ich Euch mit Madam Augusta in der Kutsche sah.»
Er hätte ihr gerne gesagt, wie froh er sei, weil sie, nun eine Bürgerin, ihm nicht anders begegnete als zuvor. Ihm und seiner jungen Frau, die immerhin einige Zeit als Diebin im Spinnhaus verbracht hatte – wenn auch mehr oder weniger unschuldig. Er hatte schon erlebt, wie Menschen ihn plötzlich nicht mehr kannten, wenn ihr Weg sie bergauf geführt hatte.
«Habe ich den Kirchendiener richtig verstanden?», fragte Rosina. «Madam van Keupen hat den halben Tag tot in der Kirchenbank gesessen, in lumpigen Kleidern, und niemand hat es bemerkt?»
«Ihr habt nur halbrichtig verstanden. Madam van Keupenwurde gestern Abend vor dem Epitaph gefunden. Erschlagen, bedauerlicherweise, mit einem Eichenklotz, ja. Jemand muss ihn von der Orgelempore hinuntergeworfen haben. Er hat gut getroffen, was nicht einfach ist. Oder es war Glück, nun ja, nicht für Madam van Keupen.»
Der Physikus meine, der Klotz habe eine große Ader an ihrem Hals zerfetzt und sie sei verblutet, erklärte Wagner. Da müsse sie schon ohne Besinnung gewesen sei, der Klotz habe sie zugleich hart am Kopf getroffen. Auch der Schrecken und die Erschütterung haben ihr Herz stehenlassen können.
«Ein Unglück kommt keinesfalls in Frage. Wie das Feuer in ihrem Kontor in der Nacht zuvor, das war auch kein Unglück. Jemand ist durch ein Fenster vom Hof eingestiegen und hat es gelegt. Das habt Ihr vielleicht schon gehört, die Spatzen pfeifen es von den Dächern.»
«Ich habe das Feuer sogar gesehen. Ich konnte nicht schlafen und sah aus dem Fenster meiner Kammer. Es war Furcht erregend. Allerdings wurde es schnell gelöscht.»
«Ihr habt es gesehen? Dann habt Ihr auch in den Hof gesehen. War dort jemand? Irgendeine Bewegung, einer, der dort herumkroch?»
«Ich muss Euch enttäuschen, Wagner. Für einen Moment glaubte ich, zwischen den Schuppen bewege sich etwas, nur ein Schatten, es war ein Gaukelspiel der Nacht und meiner müden Augen. Ich hätte auch niemanden erkannt, falls Ihr darauf hofft, der Mond war erst eine schmale Sichel. Aber wer, um Himmels willen, saß dann den halben Tag tot in der Bank unter der Südempore? Hat der Kirchendiener etwa zwei tote Frauen gefunden?»
Wagner schüttelte den Kopf. «Weller hat nur Madam van Keupen entdeckt. Hier vor ihrem Epitaph.» Er wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Stelle, und Rosinaschluckte – niemand hatte Zeit gefunden, die Blutlache aufzuwischen, einige Fuß entfernt lag das Mordwerkzeug, ein blutbesudelter steinschwerer Holzklotz. Eine seiner unteren Kanten war nicht sauber gesägt, sondern gebrochen, sie
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