Mit dem Teufel im Bunde
wirkte wie eine Reihe von unregelmäßigen langen Raubtierzähnen. Dunkel von getrocknetem Blut. «Die andere haben wir gefunden, Grabbe und ich, nachdem wir in die Kirche gerufen worden waren. Tatsächlich hat Kuno sie gefunden. Ihre Lumpen rochen nach Geräuchertem und Küchendunst.»
«Kuno?»
«Grabbes Hund. Ein kluges Tier, auch wenn es nicht so aussieht. Eine fabelhafte Spürnase.»
Rosina verbiss sich ein Lachen. Es gab Leute, die Wagner ganz ähnlich beschrieben.
«Wer ist sie?», fragte Rosina.
Wagner zuckte nur die Achseln.
«Und Madam van Keupen? Wurde sie beraubt?»
«Wohl nicht», antwortete Wagner zögernd. «Sie trug noch ihren Schmuck, als wir kamen. Ich hatte zunächst gedacht, ihr Schlüsselbund fehlt, das trägt eine Hausherrin doch gewöhnlich bei sich, wenn es nicht zu groß ist. Aber sie hatte es zu Hause gelassen. Auf dem Schreibschrank im Salon. Dort hat Mademoiselle van Keupen es gefunden. Die Stiefschwester ihres verstorbenen Mannes», erklärte er, bevor Rosina fragen konnte. «Sie lebt seit ihrer Kindheit im Haus am Cremon und ist unverheiratet.»
Wagner erinnerte sich mit Unbehagen an seine erste Begegnung mit Juliane van Keupen. Sie hatte plötzlich in der Kirche gestanden, als er sich mit Grabbe im flackernden Schein von Kerzen und zwei Laternen über die Tote beugte. Niemand wusste, wer sie benachrichtigt hatte, schlimme Botschaften fliegen schnell. Er hätte ihr, überhauptjeder Frau aus ihrem Haus, gerne den Anblick der Getöteten in ihrem Blut erspart.
‹Sibylla›, hatte sie geflüstert, ‹doch nicht Sibylla.› Sie wollte sich zu der Toten hinunterbeugen, Wagner hielt sie zurück, und sie ließ es geschehen. Wenig später kamen auch eines der Dienstmädchen und die Köchin, sie führten Juliane zu einer Bank, setzten sich links und rechts neben sie, zwei bleiche Wächterinnen, und warteten, das Mädchen leise schluchzend. Keine sagte ein Wort, keine fragte oder jammerte, und Wagner spürte ihre Blicke im Rücken. Erst als der Physikus kam und darauf bestand, den Leichnam zur weiteren Untersuchung ins Eimbeck’sche Haus zu bringen, sprang Juliane auf und protestierte mit erstickter, gleichwohl entschiedener Stimme.
Wagner war froh, dass der Physikus mit ihr sprach. Er bedauere das auch, doch es sei Vorschrift bei einem gewaltsamen Tod. Eine gründlichere Untersuchung, als sie hier möglich sei, werde helfen, den Täter zu finden, das müsse doch auch ihr Wunsch sein. Es war die Köchin, die auf Wagners Bitte tapfer vortrat und den Schmuck der Toten und den Inhalt ihrer Rocktasche, nur ein paar Münzen und ein besticktes Tuch aus Batist, entgegennahm. Sie versicherte, Madam habe über dies hinaus keinen Schmuck getragen. Die Köchin wusste auch, dass sie ihr Schlüsselbund bei diesen Kirchenbesuchen niemals mitnehme. Er hatte ihr den Schmuck übergeben, erleichtert, weil er die Ohrringe und die zerrissene und blutige goldene Halskette mit Flussperlen und Lapislazuli nicht Mademoiselle van Keupen geben musste. Die Köchin barg sie in ihrem Schnupftuch und steckte sie in die Schürzentasche. Dann hatte er die Frauen nach Hause geschickt, es machte wenig Sinn, sie in dieser Stunde zu befragen. Sie waren ohne Widerspruch gegangen, Juliane in der Mitte, mit Bewegungen wie ein Automat.
Wenigstens sei die andere Tote nicht ermordet worden, berichtete Wagner weiter, augenscheinlich sei sie an einem Fieber gestorben, er erwarte noch die endgültige Nachricht des Physikus. Dass sie schon um die Mittagszeit gestorben sei, habe er schon entschieden. Sie sei jung gewesen, höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, und müsse in der Tat sehr arm gewesen sein. Sogar zu arm, um Nadel und Faden zu besitzen oder auszuleihen, um ihre Kleider halbwegs passend zu machen, worum sich eine junge Frau doch auf jeden Fall bemühen würde. Sie habe nur Rock und Bluse getragen, beides müsse zuvor einer erheblich dickeren und einige Zoll kleineren Frau gehört haben. Auch sei sie barfüßig gewesen, was bei solchen Leuten nicht ungewöhnlich sei, der Zustand ihrer Füße jedoch verrate, dass sie sonst Schuhe getragen habe.
«Ich nehme an», schloss Wagner, «sie ist eine von den Mägden, die es vom Land in die Stadt verschlagen hat. Vor nicht allzu langer Zeit, sie war nicht so schmutzig, wie man annehmen könnte, und dort draußen gibt es mehr und reineres Wasser. Trotz der Totenblässe ist zu erkennen, dass ihre Haut der Sonne ausgesetzt war, ein wenig nur, doch es ist deutlich genug.
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