Mit dem Teufel im Bunde
hoffentlich interessanter als die vorigen. Andererseits, das wirklich Interessante erfuhr er selten von denen, die es anging.
***
Es hatte keinen Sinn, sie würde nichts finden. Juliane van Keupen löste erhitzt ihr Brusttuch, wischte sich damit den Staub von den Händen und warf es müde auf das große Himmelbett. Sie ließ sich auf den zierlichen Stuhl vor dem Pultschreibtisch mit der daruntergebauten Kommode fallen und ihren Blick durch das Zimmer ihrer Schwägerin gleiten. Da war Sibyllas Bett mit den zurückgebundenen weinroten Vorhängen, der Schreibtisch, ein praktisches Möbelstück für Damen, die hin und wieder private Korrespondenzen hatten, die hohe Kommode, nach Sibyllas Vorliebe auf chinesische Art dunkelrot lackiert und bemalt, an den Wänden Familienporträts und eine weite holländische Landschaft. Das Potpourri aus blau-weißer Kellinghusener Fayence auf dem Tischchen zwischen den beiden Fenstern verströmte den leichten Duft seiner Füllung, einer Mischung von Lavendel, Rosen und Thymian. Dann war da nur noch die Doppeltür, die in älterer Zeit den Alkoven verschlossen hatte. Inzwischen verbarg sich dahinter ein Schrank, der den Raum von zwei Alkoven einnahm.
Es hatte sie Überwindung gekostet, zwischen Sibyllas Kleidern herumzuwühlen. Ihr Geruch haftete ihnen noch an, ihr bevorzugtes Maiglöckchen-Duftwasser, die Essenzen und Salben, mit denen sie sich wusch und pflegte, um ihre Haut weiß und glatt zu erhalten. Dort hatte sie ebenso wenig gefunden, was sie suchte, wie in der Kommode, in den Fächern und Laden des Schreibschrankes oder unter dem Bett.
Den Schreibschrank und die hohe Kommode hatte sie wie die Truhe im Kontor schon gestern Nacht durchsucht, als alle im Haus dachten, sie bete in Sibyllas Zimmer. Bergstedts Brauen hatten sich gehoben, als sie die Schlüssel für die Tresortruhe zurückforderte, er hatte nicht widersprochen, und als sie sie ihm heute früh zurückgab, nur wortlosgenickt. Alle Fächer, Laden und Kästen waren erstaunlich geordnet. Sibylla hatte nichts Überflüssiges aufbewahrt, alles wirkte, als habe sie wie vor einer großen Reise gründlich aufgeräumt.
Juliane hatte Briefe von Regina und Tine gefunden, auch einige, die Tillmann vor langer Zeit seiner jungen Braut geschrieben hatte, die Familienbibel, die Chronik und Familienpapiere. Da hatte sie gehofft, doch es waren nur die, die sie kannte. Sie hatte alles akkurat wieder an seinen Platz gelegt, zwischen Nähkästchen, Haarspangen und Bändern herumgetastet, die Schatulle mit dem Schmuck geprüft. Sie war sich so sicher gewesen, aber es war eben doch nur ein böser Verdacht, eine eifersüchtige Unterstellung. Das war ein vernünftiger Gedanke, dessen Bedeutung sie nicht wirklich empfand.
Es war sinnlos. Auch das helle Tageslicht hatte ihrer Suche keinen Erfolg beschert. Sibyllas Augen hatten dunkel aufgeblitzt, als sie sie danach gefragt hatte. Trotzdem hatte sie gelacht, dieses leichte Lachen, das für Fremde heiter klingen mochte, in Julianes Ohren hatte es spöttisch, manchmal gar verächtlich geklungen. Ein solches Papier gebe es nicht, hatte Sibylla gesagt, auch habe Tillmann nie davon gesprochen. Juliane möge bedenken, sie sei nicht Tillmanns leibliche Schwester, die Tradition erfordere, den Besitz in der Familie zu halten. Sie verstehe ja, hatte sie dann gesagt, mild gelächelt und Juliane eine ihrer Seidenblüten ins Haar gesteckt. Wenn Juliane etwas brauche, wenn ihr Nadelgeld nicht reiche, möge sie es nur sagen. Tillmanns geliebter Stiefschwester solle es an nichts fehlen.
Sibylla war tot, kein Lachen mehr, keine abgelegten Seidenblumen mehr. Nun folgten ihr bald ihre Töchter nach, Julianes Nichten. Was würde dann sein?
Juliane setzte sich an den Schreibschrank und schlug die Familienchronik auf, tauchte eine von Sibyllas Federn in die Tinte und schrieb:
Sibylla van Keupen, Witib und ehedem geliebte Ehefrau des gewesenen Tillmann van Keupen, starb am Abend des 21. October anno 1772 in der Kirche Sankt Katharinen, von fremder Hand im Alter von 43 Jahren. Gott sei ihrer Seele gnädig
.
Sie unterzeichnete mit
Juliane van Keupen, Schwester des gewesenen Tillmann van Keupen
. Das war nicht ganz richtig, doch nun stand es so in der Chronik, es ging nicht an, darin herumzustreichen. Und es war auch nicht falsch.
Sie war mit Tillmann aufgewachsen und hatte den um vierzehn Jahre älteren geliebt wie einen Bruder. Mochten spätere Nachfahren in dem in Leder gebundenen Buch zurückblättern,
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