Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
achtundfünfzig Kilo schwer, schwerer als die größten, bisher bekannten Wölfe. Der Verdacht ist daher gerechtfertigt, dass diese Menschenjäger nicht reine Wölfe, sondern Wolf-Hund-Mischlinge waren. Ohne Zweifel können Haushunde gegenüber Menschen aggressiv werden. Abtrünnige vom „besten Freund des Menschen“ beißen jährlich Tausende von Kindern und Erwachsenen und töten auch gelegentlich.
Die klassische Geschichte der Menschen verschlingenden Wölfe ist die des russischen Edelmannes in seiner von Pferden gezogenen Troika, der von einer Herde tollwütiger, geifernder Biester mit roten Zungen, die über blendenden Reißzähnen hängen, heruntergezogen wird. Da es keine verlässlichen Berichte gibt, sollten solche Geschichten als Volksmärchen angesehen werden, obwohl es durchaus möglich ist, dass Wölfe einem von Pferden gezogenen Schlitten folgen – weil sie in der Spur leichter laufen können, weil sie die Pferde als mögliche Beute sehen, oder auch einfach nur aus Neugier.
Ein weiterer möglicher Grund, warum Wölfe in Europa Menschen angegriffen haben könnten, ist Tollwut. Tiere, die diese gefürchtete Krankheit befällt, verlieren ihre natürliche Scheu und beißen jedes Wesen, das sie treffen, Mensch oder Tier. Das Risiko, von einem tollwütigen Hund oder Wolf gebissen zu werden, war eine harte Realität im mittelalterlichen Europa, und ist es vielleicht sogar heute noch in einigen Teilen der Welt.
Dennoch sollte die Frage, ob Wölfe jemals in jüngster Zeit Menschen vor allem in Nordamerika angegriffen haben, nicht so schnell abgetan werden. Tatsache ist, dass es wenigstens ein halbes Dutzend belegter Fälle gibt, die einigen Zweifel an dem Glauben an die absolute Unschuld des Wolfes aufkommen lassen.
Einer der am meisten beachteten Zwischenfälle wird unterstützt durch die beeidete Zeugenaussage von Menschen, die daran beteiligt waren, und wird in „The Journal of Mammologie“ beschrieben.
Das Ereignis passierte Meike Dusiak, einem Eisenbahnarbeiter, der im Winter 1942 eines Nachts mit seinem Streckenwagen entlang der Hauptstrecke westlich von Chapleau, Ontario, fuhr. Er erwartete, einen Zug zu treffen und fuhr daher ziemlich langsam, damit er rechtzeitig die Gleise verlassen konnte. Plötzlich traf ihn etwas, schnappte ihn am linken Arm und zog ihn und den Streckenwagen vom Gleis. Dusiak dachte zuerst, er sei von einem Zug angefahren worden, aber als er schnell aus dem Schnee aufstand, sah er einen Wolf auf sich zukommen. Gerade noch rechtzeitig schnappte er sich eine Axt und verteidigte sich heftig, indem er dem Wolf auf Kopf und Körper schlug. „Knurrend und zähnefletschend“ kämpfte er weiter, bis ein Zug vorbeikam. Die Crew sah Dusiaks Not, stoppte die Lokomotive und eilte mit Pickeln und Werkzeugen zu Hilfe, wobei sie schließlich den Wolf töteten. Der Beamte, der den Kadaver untersuchte, bestätigte, dass der Wolf anscheinend in normaler Verfassung war. Er wurde jedoch nicht auf Tollwut getestet, aber sein Verhalten deutet darauf hin, dass er ein Opfer der Krankheit hätte sein können.
Ebenfalls in „The Journal of Mammologie“ wird von zwei Fällen berichtet, bei denen Wissenschaftler im kanadischen Norden auf Wölfe trafen. Der erste ereignete sich am 29. Juni 1977 auf der einsamen Insel Ellesmere Island, wo die Wölfe selbst heute immer noch keine Angst vor Menschen zeigen. Auf der offenen Tundra näherte sich ein Rudel von sechs weißen Wölfen zwei Paläontologen, die versuchten, die Tiere durch lautes Rufen und durch das Werfen von Erdklumpen fernzuhalten. Das Rudel hielt wenige Meter entfernt an. Die angespannte Situation wurde mit folgenden Worten beschrieben: „Einer der Wölfe übernahm dann die Führung und ging, indem er Mary Dawson direkt ins Gesicht sah, stetig vorwärts, die schlecht gezielt geworfenen Erdklumpen ignorierend. Seine Ohren waren vorgestellt und sein Maul geschlossen oder nur leicht geöffnet. Als er etwa eineinhalb Meter entfernt war, sprang der Wolf auf Dawsons Kopf zu, die sich zurückwarf und einen kleinen Schrei ausstieß. Der Wolf streifte ihre Wange, hinterließ dort seinen Speichel, fiel dann auf den Boden, drehte sich um und zog sich mit ein paar Rückblicken zurück.“
Alle sechs Wölfe liefen schließlich fort. Die Motivation für ihr merkwürdiges Verhalten war vermutlich Neugier. Sie wussten nicht, auf welche Kreatur sie gestoßen waren und wollten sie wie jede andere Beutetierart testen. Die Standfestigkeit der
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