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Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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wie die Vereinten Nationen aufbringen könnte, und sollte nicht auf einen Mann in einem Kellergeschoß und acht Wissenschaftler – selbst wenn die klügsten Köpfe der Welt dazugehören – beschränkt sein, die um einen Tisch herum sitzen und Entscheidungen treffen.“
    Er erwiderte ihren Blick mit grimmiger Miene. Sie war jünger als er und alles andere als konservativ. Sie hatte viele Bücher gelesen, und die Bücher waren voll von Lösungen für Probleme. Er hatte dasselbe Vertrauen zu Lösungen gehabt, wie Bücher sie anboten, bis er dann in den Bergen gelegen hatte und den Frühlingskämpfen der Bären zugesehen hatte oder tagelang in einem Zwei-Mann-U-Boot den Mörderwalen durch die eisigen Gewässer der Antarktis gefolgt war.
    „Aber wenn wir einmal die Behörden einschalten, gibt es kein Zurück mehr“, wandte er ein.
    „Wieso bist du denn so sicher, daß du es rückgängig machen willst?“ konterte sie. „Du hast uns auch noch keine logischen Gründe vorgelegt.“
    „Aber die Lage dort auf der Heimatwelt der Ruml hat mit logischen Gründen auch nichts zu tun. Logische Gründe sind ein Teil des logischen Denkens. Und logisches Denken ist ein Teil der intellektuellen Vorgänge, wie sie eine zivilisierte, komplexe Gesellschaft entwickelt hat …“
    „Und die Gesellschaft der Ruml ist nicht zivilisiert oder komplex?“
    „Doch, natürlich ist sie das“, sagte er, „aber …“
    „Ehrlich, Jason“, sagte sie, „jetzt ganz ehrlich, ist es nicht einfach deine persönliche Sturheit, deine Vorsicht, wenn du so willst, die es einfach nicht zuläßt, die Behörden einzuschalten, solange du selbst nicht genau über diese Fremden Bescheid weißt – selbst wenn das noch vierzig Jahre Studium bedeutet? Du hast doch zu niemandem Vertrauen!“
    Und dann fing sie an, auf die Typen ihrer Schreibmaschine einzuhämmern.
    „Nein“, sagte er – so laut, daß sie unwillkürlich zu tippen aufhörte und ihn ansah. „Du verstehst das nicht, genausowenig wie die anderen im Ausschuß es verstehen. Die instinktive Basis der Zivilisation der Ruml unterscheidet sich drastisch von der instinktiven Basis unserer Zivilisation. Und wenn wir in diesem Punkt einen Fehler machen, wird es dazu kommen, daß wir gegen sie kämpfen müssen, um unser Leben kämpfen müssen, und genau das ist es doch, was wir vermeiden wollen!“
    Sie beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und starrte ihn unter erhobenen Brauen an.
    „Jetzt kommt es heraus“, sagte sie. „Du traust es keinem anderen zu, den Kontakt mit einem Ruml herzustellen. Du vertraust nur dir selbst!“
    „Ich fürchte, daß ich der einzige bin, der begreift, daß in Sachen des Überlebens oder des NichtÜberlebens der Instinkt von entscheidenderer Bedeutung sein kann als der Intellekt“, sagte er. Er hörte selbst, wie seine Stimme lauter wurde, aber er hatte nicht mehr die Kraft, sie zu kontrollieren. „Mein Gott, du bist doch eine Frau. Hast du denn gar kein Zutrauen zum Instinkt?“
    „Ich habe sehr viel Zutrauen zum Instinkt“, sagte sie eisig. „Aber zufälligerweise bin ich in dieser Zeit geboren – nicht vor fünfhundert Jahren, als Männer wie du glaubten, Frauen hätten außerhalb der vier Wände ihrer Häuser nichts zu suchen! Ich habe all die natürlichen, normalen Instinkte einer Frau – Gott sei Dank –, aber das bedeutet nicht, daß ich sie nicht mit den übrigen Zentren meines Gehirns unter Kontrolle halten könnte, wenn ein Konflikt entstehen sollte.“
    Er saß da und starrte sie an. Er war jetzt wieder ruhig geworden.
    „Ich glaube“, sagte er nach einer Weile, „das Problem hier liegt in deiner Persönlichkeit, nicht in der meinen.“
    Sie fing wieder zu schreiben an.
    „Oder wollen wir sagen, ebenso wie in der meinen“, sagte er. „Und noch etwas. Wenn du glaubst, du könntest deine Instinkte unter Kontrolle halten, und zwar jedesmal, dann hast du ebenso unrecht wie alle anderen hier unrecht zu haben scheinen.“
    Er stand auf und ging hinaus und hörte noch eine Weile hinter sich das Klappern der Schreibmaschine. Draußen, in dem jetzt verlassenen Bibliothekssaal war die Sonne während seiner kurzen Auseinandersetzung mit Mele in eine schmale Bank dunkler Wolken gesunken, die den Horizont überzog. Das Zentralgestirn der Erde erfüllte den leeren Raum mit einem kalten, roten Licht, das düstere Schatten erzeugte, die in den Ecken und hinter den Lehnstühlen hängenblieben. Einen Augenblick lang lehnte Jason sich gegen die

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