Mit den Augen der Fremden
der Kellner hielt ihnen diesen Tisch auch üblicherweise frei.
Er hatte ihn auch heute freigehalten, was offensichtlich keine große Mühe bereitet hatte. Im ganzen Speisesaal waren nur drei weitere Tische besetzt – und keiner der drei in der Ecke. Jason und Mele setzten sich und bestellten. Jason legte seine Bücher auf den Tisch und schlug sofort wieder Chalmers Die Kindheit der Tiere auf.
„Nein, so geht das nicht“, sagte Mele. „Er nimmt auch einen Drink“, sagte sie zum Kellner, der, nachdem er ihre Bestellung entgegengenommen hatte, schon wieder weggehen wollte. „Einen Martini – und für mich auch einen.“
Jason wollte schon Einwände erheben, zuckte dann aber die Achseln und klappte den Chalmers zu. Er legte beide Bücher auf den Boden.
„So“, sagte er. „Aus den Augen, aus dem Sinn. Ist es so besser?“
„Ja“, sagte sie. Aber sie lächelte nicht dabei, sondern ihre Augen musterten besorgt sein Gesicht. „Nimmst du ab?“
„Das weiß ich nicht. Warum?“ fragte er. „Du kannst ja Heller fragen. Er führt Buch über mich.“
„Ich glaube, du solltest vor jeder Mahlzeit einen Drink nehmen“, sagte sie. „Und keine Bücher.“
„Ich könnte mir ja mal eine Nacht freinehmen?“ Er grinste, wurde aber schnell wieder ernst. „Ich glaube, du verstehst das nicht ganz“, sagte er. „Ich bin zwar in dieser Geschichte hier Beobachter – aber ich muß mich auch etwas informieren, um zu wissen, nach was ich eigentlich Ausschau halten soll.“
„Du tust ja gerade, als müßtest du alles allein tun“, wandte Mele ein. „Später werden eine ganze Menge Versuchspersonen mitmachen. Warum kannst du es nicht bei dem belassen, was du ursprünglich getan hast: einfach beobachten und berichten.“
Ihre Drinks kamen, aber als der Kellner gegangen war, nahmen sie den Faden wieder auf.
„Du sagst die ganze Zeit, ich würde dich nicht verstehen“, griff Mele ihn an. „Nun, wenn es so ist, dann erkläre es mir. Sag mir, was ich nicht verstehe.“ Die Teller mit dem Essen wurden vor ihnen hingestellt, aber sie ignorierten es beide und lehnten sich auf den Tisch.
„Das versuche ich ja die ganze Zeit“, sagte Jason. „Du hörst mir nur nicht richtig zu. In dieser Situation gibt es eine ganze Anzahl kritischer Punkte, die außer mir keiner zu glauben scheint. Weißt du, wir haben wirklich nicht gewußt, worauf wir uns einließen. Es ist eine Frage der Instinkte, und zwar sowohl auf unserer Seite als auch auf der der Ruml. Und instinktive – oder, besser gesagt, früh erworbene – Verhaltensweisen sind sehr viel wirkungsvoller, als die Mitglieder des Ausschusses und insbesondere du zu erkennen scheinen …“
„He, ihr beiden da!“ unterbrach sie die Stimme von Thornybright. „Darf man Sie beide einmal stören? Ich hab’ hier jemand, den ich mit Ihnen bekannt machen möchte, und ich will nicht bis nach der Sitzung warten.“
Jason und Mele zuckten beinahe schuldbewußt zusammen. Sie hatten eindringlich aufeinander eingeredet und die Köpfe beinahe zusammengesteckt. Jetzt sah Jason, daß neben dem Psychologen ein hochgewachsener, athletisch schlanker Mann stand, das Haar so kurz und so sorgfältig geschnitten, daß man nicht sagen konnte, ob es grau oder einfach blond war. Das Gesicht war gebräunt, und er lächelte freundlich.
„Aber sicher“, sagte Jason. „Setzen Sie sich doch. Beide bitte.“ Er deutete auf die zwei freien Stühle an ihrem Tisch. „Ich lasse gleich den Kellner mit der Karte kommen.“
„Danke, wir haben schon gegessen“, sagte Thornybright und winkte ab. „Jason, Mele, ich möchte Ihnen Bill Coth vorstellen. Er ist Luftwaffengeneral – ein Drei-Sterne-General, im Augenblick mit einem Sonderauftrag des Weißen Hauses betraut. Wir arbeiten schon eine Weile zusammen.“
„Sind Sie Psychologe?“ fragte Mele. Coth lachte.
„Sozusagen mit der linken Hand“, grinste er. „Mit der rechten bin ich ein alter Barrashengst.“
Jason, der eine Bemerkung über die jungen Generäle in der Luftwaffe hatte machen wollen, hielt sich plötzlich zurück. Jetzt, wo er genauer hinsah, entdeckte er die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln von Coth. Das jugendliche Aussehen des Mannes täuschte. Coth war den Fünfzigern gewiß näher als den Vierzigern.
„Ich habe Bill erzählt …“ sagte Thornybright, „aber essen Sie nur weiter, lassen Sie sich durch uns nicht stören … Ich habe Bill von der Arbeit erzählt, die Sie geschrieben haben, ich meine, die über die
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