Mit den Augen der Fremden
deine Familie dich ausstoßen wird, wenn du nicht rechtzeitig bezahlen kannst? Und wie kommt es überhaupt, das jemand in deinem Alter über eine solche Summe verfügt? Was hast du vor – willst du ein Reich gründen?“
„Ja“, gab Jason gequält zu. „Ich …“
Er hielt inne, merkte jetzt, daß Brodth ihn anstarrte und merkte zu spät, daß der andere seine Frage nicht ernst gemeint hatte. „Das … ist dein Ernst?“ sagte der Schwertmeister schließlich. „Du glaubst tatsächlich … weißt du eigentlich, welche Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, daß ein Mann …?“
Jason nickte grimmig. „Deshalb wollte ich es auch niemandem gegenüber erwähnen“, sagte er etwas steif. „Darf ich mich auf Euch als auf einem ehrenwerten Mann verlassen, daß Ihr …“
„Ja, ja, natürlich …“ murmelte Brodth und starrte ihn immer noch an. „Wie heißt du?“
Jason sagte es ihm. Brodth starrte ihn noch ein paar Sekunden an, und dann leuchtete in seinen Augen plötzlich das Erkennen auf.
„Du bist der Aufklärer, der vor ein paar Wochen dieses Artefakt im Weltraum gefunden hat!“ stieß er hervor.
„Ja“, sagte Jason. Und dann drehte er sich um und ging zum Eingang. „Nun, Ehrenwerter, wenn keiner Eurer Gehilfen mir …“
„Warte!“ sagte Brodth.
Jason drehte sich um. Der Schwertmeister musterte ihn mit eigenartigem Blick.
„Du wirst es vielleicht nicht glauben“, sagte er langsam, „aber ich war auch einmal ein solch junger Narr. Ich hatte mir die Idee in den Kopf gesetzt, ein Reich zu gründen …“ Einen Augenblick lang leuchteten seine Augen. „Und es war gar nicht so weit hergeholt …“ murmelte er. „Rassenmeister in drei aufeinanderfolgenden Jahreszeiten … ich hätte noch eine Stufe weiterkommen können.“ Dann faßte er sich, und seine Stimme klang wieder normal.
„Komm mit.“
Er führte ihn in das Vorzimmer mit dem Teich zurück und durch eine geschlossene Tür, die Jason vorher nicht aufgefallen war, in einen Raum, der zur Hälfte Büro, zur Hälfte Wohnzimmer war. Er geleitete Jason durch eine weitere Tür in ein Zimmer, das wie ein kleiner Fechtsaal aussah. An den Wänden hingen einige Waffen, alte und moderne.
„Unser augenblickliches Duellschwert nützt dir nichts“, murmelte Brodth. „Da liegen alle Vorteile bei dem größeren, stärkeren Mann. Aber hier …“ Er blieb stehen. „Schau dir die an.“
Jason folgte Brodths Blick. Er sah zwei doppelklingige Schwerter, die gekreuzt an der Wand hingen. Sie hatten praktisch kein Heft, und die Klingen waren um ein Vielfaches breiter als die Klinge eines normalen Schwertes und nur halb so lang. Zwischen dem X, das diese Schwerter bildeten, hingen zwei runde Metallscheiben, die Jason plötzlich als Schilde erkannte. Er sah hier Waffen, wie man sie vor beinahe zweitausend Jahren gebraucht hatte.
„Hier“, sagte Brodth und wies mit seiner mit grauem Pelz bewachsenen Hand darauf, „sind Waffen, die deinen Fähigkeiten ebenso entgegenkommen, wie die augenblicklichen Duellschwerter deinem Widersacher nützen würden. Wir haben nicht sehr viel Zeit, um einen antiken Rumlkrieger aus dir zu machen, aber – bist du bereit, ein Risiko einzugehen, Kator Zweitvetter?“
8
Die Tage und Nächte der Rumlheimatwelt waren kürzer als die Tage und Nächte der Erde. Aber weil Kator im Rumltag den normalen Tag sah, empfand Jason ihn genauso. Auf diese Weise befand Jason sich sozusagen in zwei unterschiedlichen Zeitsystemen – den Stunden, Tagen und Wochen der menschlichen Welt und den Zeitabschnitten der Ruml, die eineinhalbmal so schnell abliefen.
Die praktische Auswirkung davon war, daß Jason gelegentlich seine Kollegen in der Stiftung damit verwirrte, daß etwas, was in etwa einer Rumlwoche geschehen sollte, nach irdischen Begriffen bereits übermorgen erfolgte.
So ging es auch mit dem Duell, auf das Kator sich vorbereitete. Nach den Begriffen der Ruml war bis dahin noch etwa einen Monat Zeit, in irdischen Begriffen aber waren es nur etwas mehr als zwei Wochen. So verbrachte Jason seine Schlafstunden damit, Kators Ausbildung mit dem archaischen Rumlschwert mitzuerleben, während er die Tage dazu benützte, das, was er gesehen hatte, aufzuschreiben und zu skizzieren und Beziehungen zu irdischen Parallelen herzustellen.
Wie die meisten Leute, die den Zoologenberuf ergreifen, hatten ihn andere als menschliche Geschöpfe seit frühester Jugend, seit er zum erstenmal ein verwundetes Eichhörnchen, dem das Geschoß
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