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Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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was das Prüfzentrum an dem Artefakt entdeckt und welche Schlüsse es daraus gezogen hat.“
    „Ganz richtig“, sagte das Familienoberhaupt und nickte billigend. „Man soll sich nicht vorschnell auf etwas einlassen, was man nicht kennt. Ich habe zufällig eine Kopie des Berichts hier. Würdest du gern wissen, was das Zentrum festgestellt hat?“
    „Ja, Ehrenwerter“, sagte Jason und stand so aufrecht da, wie das sein Körperbau nur zuließ. „Das würde ich gern.“
    „Nun“, sagte der Brutogas und wendete das erste Blatt auf einem Stoß Papier, der vor ihm auf dem Tisch lag, „die Schlüsse, die man gezogen hat, besagen, daß die Fremden etwa von unserer Größe sind, zweibeinig, mit vergleichbarem Stand der Zivilisation …“
    Jason entwich unwillkürlich ein Überraschungsruf.
    „Ja“, sagte der Brutogas, blickte auf und wiederholte langsam: „Ein vergleichbarer Stand der Zivilisation! Die Herausforderung, die eine Rasse wie diese für uns bedeutet, wird größer als alles sein, was es bisher in der Geschichte gegeben hat. Aber um fortzufahren …“ Er las weiter. „Ein vergleichbarer Stand der Zivilisation, aber wahrscheinlich mit Tabus aus einem früheren primitiveren Stadium belastet, die die Stelle eines Systems von Ehren einnehmen. Sie … hast du eine Frage?“
    „Ehrenwerter?“ fragte Jason. „Können denn intelligente Wesen eine Zivilisation aufbauen, ohne gleichzeitig einen Begriff von Ehre und ein System dafür zu entwickeln?“
    Der Brutogas nickte wohlwollend.
    „Der Bericht befaßt sich mit dieser Frage“, sagte er. „Er kommt zu folgendem Schluß: Nein, natürlich können sie dem Begriff der Ehre nicht ausweichen. Die Entwicklung einer Zivilisation erfordert ein rassisches Selbstbewußtsein. Und Selbstbewußtsein bedeutet, daß sie sich der Pflicht rassischen Überlebens als einer intellektuellen Sache bewußt werden müssen. Und gleichzeitig müssen sie einen Ehrbegriff entwickeln, um sicherzustellen, daß das Überleben unvermeidbar wird.“
    Er sah Jason nachdenklich an.
    „Andererseits“, meinte er, „sind wir davon überzeugt, daß unser Ehrsystem ihnen völlig unbegreifbar sein muß. Die Wahrscheinlichkeit, daß es sich spontan in einer fremden Rasse entwickeln könnte, ist so minimal, daß man sie überhaupt nicht in Zahlen ausdrücken kann. Was das Prüfzentrum für wahrscheinlich hält – ich erwähnte das schon – ist, daß diese Rasse ein System primitiver Tabus hat, das inzwischen verfeinert wurde, um einer komplexen technologischen Zivilisation zu entsprechen. Sie werden also, praktisch betrachtet, aus Gründen des Überlebens im Rahmen eines Ehrsystems operieren, es aber nicht begreifen.“
    „Das bedeutet aber doch, Ehrenwerter“, sagte Jason, „daß eine zu ihnen entsandte Expedition sehr hohe Erfolgschancen hat!“
    „Zweitvetter, Zweitvetter“, der Brutogas schüttelte den Kopf. „Glaubst du denn, daß ein Vorteil den Erfolg sichert? Es ist durchaus möglich, daß sie uns persönlich oder technisch überlegen sind.“
    „Aber kein materieller oder charakterlicher Vorteil ist doch mit dem Vorteil zu vergleichen, den ein System der Ehren gegenüber allen anderen Systemen hat“, wandte Jason ein.
    „Abstrakt betrachtet natürlich nicht“, sagte der Brutogas. „Aber praktisch gesehen kann es ernsthafte Schwierigkeiten in bezug auf die Zahl der Fremden oder die Fähigkeit ihrer Waffen geben. Es ist ein ehrenwertes Unterfangen, für eine gute Sache zu sterben, aber es ist nicht ehrenvoll zu riskieren, die eigene Rasse auszubluten. Wenn alle Väter getötet werden, wer soll dann Söhne zeugen?“
    Jason stand stumm da und fühlte sich getadelt.
    „Es bleibt immer noch die Möglichkeit“, sagte der Brutogas nach einer kurzen Pause, „daß sie zwar nicht dasselbe Ehrsystem wie wir, aber ein vergleichbares besitzen, das wir nur noch nicht identifizieren können. Und vielleicht ist es sogar dem unseren überlegen.“
    „Überlegen?“ Jason starrte das Oberhaupt seiner Familie an.
    „Theoretisch wäre das möglich“, sagte der Brutogas. „Erinnere dich an den Ausspruch: ‚Die Ehre ist ohne Grenzen, die Anstrengung ist ohne Grenzen, nur der Mensch hat Grenzen.’“
    Jason neigte den Kopf.
    „Willst du mir jetzt die Antwort geben, ob es dein Wunsch ist, die Expedition zu dieser Heimatwelt der Verhüllten Leute zu führen?“ fragte der Brutogas.
    „Ehrenwerter“, antwortete Jason. „Ich wünsche es sehr.“
    „Ich war sicher, daß es so sein

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