Mit den Augen eines Kindes
verlassen müssen und gehofft, dass Alex nicht die Nerven verlor und keine verräterische Bemerkung machte.
Sie lachte, so leicht und hell und widerlich böse. «Der Mann hat einfach keine Nerven. Tagelang kriecht er durchs Haus wie ein Duckmäuser, zwanzigmal pro Stunde bietet er mir frischen Kaffee an, hat das Feuerzeug in der Hand, wenn ich noch gar nicht an eine Zigarette denke. Natürlich hat er sich auch jeden Abend davon überzeugt, dass ich es auf der Couch bequem habe. Und plötzlich muckt er auf, wird richtig energisch und verlangt, ich soll mir mein Bett gefälligst selber machen. Rex war derselben Meinung wie ich, dass sich nämlich unser braver Alex plötzlich mit tatkräftiger Unterstützung konfrontiert sah.»
Ihr spöttischer Ton schlug unvermittelt um und wurde klirrend wie Eiswürfel in einem Glas. «Wir mussten ihn noch einmal eindringlich daran erinnern, dass ihm ein Begräbnis ins Haus steht, wenn er sich nicht an die Vereinbarungen hält. Den Arm seiner Frau konnte ich ihm zwar nicht bringen, obwohl wir ihm das versprochen hatten für den Fall, dass Polizei ins Spiel kommt. Aber der Doktor weigerte sich, eine Amputation vorzunehmen. Er macht nicht gerne etwas kaputt, was er gerade mühsam zusammengeflickt hat. Zur Ermahnung täten es ja auch ein paar Schnitzereien, meinte er und hat ihr ein hübsches Muster in den Bauch geritzt. Alex durfte zuhören.»
Darauf hatte Schmitz mich nicht vorbereitet. Ehe mir bewusst wurde, was ich anrichtete, hatte ich sie mit aller Kraft ins Gesicht geschlagen. Auf ihrer Wange zeichneten sich augenblicklich die Abdrücke meiner Finger ab. Ihr Grinsen erlosch. Mit einem Mal war ihr Gesicht so nackt und kalt wie ihre Stimme. Sie schwang die Beine aus dem Bett, blieb noch einen Moment auf der Kante sitzen und schaute über die Schulter auf mich hinunter.
«Darf ich daraus schließen, dass du immer noch privat hier bist? Einem Bullen ist Gewaltanwendung doch untersagt, oder hat sich da in letzter Zeit etwas geändert? In Frankfurt sollen sie ja auch einem Entführer mit Folter gedroht haben. Wenn das inzwischen die übliche Methode ist, solltest du jetzt besser ein paar Leute herrufen, die davon mehr verstehen als du.»
Sie stand auf und ging zum Fenster. Vom Bett aus betrachtete ich den Strang ihrer Wirbel und spürte das unbändige Verlangen, sie niederzustrecken. Ein mächtiger Hieb – sie am Boden sehen, so hilflos und wehrlos wie die kleine Katze damals, mit gebrochenem Rückgrat. Vielleicht hätte mir das in dem Moment geholfen.
Erst nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass sie gelogen hatte. Alex durfte zuhören. Davon hatte er Jochen gestern nichts erzählt, und das hätte er garantiert getan. Sie konnte nicht mehr getan haben, als eine verbale Attacke loszulassen.
«Ich verstehe genug davon», sagte ich. «Und wenn ich mir etwas davon versprechen würde, würde ich dir das auf der Stelle beweisen. Aber ich kann nichts aus dir rausprügeln, was du nicht weißt. Für deine Kumpane bist du nur eine dumme Kuh, dämlich genug, den Kopf hinzuhalten, und durchaus entbehrlich.»
Ich hätte gerne ihr Gesicht gesehen in dem Moment. Nur tat sie mir nicht den Gefallen, sich umzudrehen. Sie lachte leise.
«Ach, Konni. Dumme Kuh. Es hat doch schon mit dem Stroh im Kopf nicht funktioniert. Mach dir keine Hoffnungen.»
«Tu ich nicht», sagte ich. «Aber du solltest dir auch keine machen. Du kommst nicht lebend aus der Sache raus. Wenn Rex oder der Doktor dich nicht erledigen, tu ich es.»
Mit immer noch abgewandtem Gesicht gab sie ein paar amüsierte Schnalzlaute von sich: «Sollte sich deine Einstellung zu Recht und Gesetz derart dramatisch verändert haben? Das kann ich mir aber nicht vorstellen, Konni. Du wärst deinen heiß geliebten Job los, wenn du dermaßen über die Stränge schlägst.»
Erst als ich vom Bett aufstehen wollte, drehte sie sich um und bat: «Nein, geh noch nicht.» Sie klang wieder so, wie ich es von ihr gewohnt war, ein bisschen heiser und erregend selbst bei einfachen Aussagen wie einem Satz über das Wetter. «Es ist nichts passiert, Konni. Ella Godberg geht es gut. Ich weiß, dass Alex sich an unsere Bedingungen gehalten und dich nicht auf den Plan gerufen hat. Das war dein Sohn. Ich glaube sogar, dass Alex dir gesagt hat, du sollst ihn in Ruhe lassen.»
Offenbar hatte er noch so viel Vernunft besessen, nur von mir zu sprechen. Dass Rudolf am Mittwochabend dabei gewesen war und dass er sich gestern Nachmittag mit Jochen getroffen hatte,
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