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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Es schien sich in der gesamten Dienststelle herumgesprochen zu haben, dass Kollege Metzner eine besondere Verwendung hatte. Der James Bond im Westentaschenformat, unter Einsatz von Leib, Leben und Potenz.
Angerufen hatte Maren mich noch nicht. Das tat sie auch in der nächsten Stunde nicht. Ich saß wie auf heißen Kohlen, das Warten machte mich ganz konfus. Und mit jeder Minute, die verging, festigte sich meine Überzeugung, dass Schmitz sich auch bei seinen Berechnungen ihres Hormonhaushalts verschätzt hatte. Hatte er aber nicht. Kurz vor fünf geschah endlich, worauf alle außer mir sehnlichst warteten.
    Später bildet man sich ein, man hätte dieses oder jenes gedacht. So versuche ich immer noch zu glauben, ich hätte mir während der Fahrt nach Köln eingeredet, ich sei dienstlich unterwegs und nicht, um mit Maren zu schlafen. Der Witz an der Sache ist, dass es den Nagel auf den Kopf traf. Es war dienstlich, und geschlafen hatte ich in all den Jahren nie mit ihr, nicht ein einziges Mal. Es ging doch immer nur um das eine. Aber das anders zu bezeichnen, fiel mir immer schwer.
    Das war schon früher so gewesen, reine Erziehungssache. Mutter hatte sich stets bemüht, den Straßenjargon von uns fern zu halten. Meine Brüder und ich hatten uns große Mühe gegeben, sie nicht zu enttäuschen. Nur nicht aus der Reihe tanzen, ein ordentliches Leben führen, vielleicht ein paar winzige Dellen im Lack, aber die Sprache geschliffen.
    Und wahrscheinlich dachte ich während der Fahrt überhaupt nicht. Nicht an Ella Godberg, nicht an Hanne, nicht an Olli, nicht an Rudolf und seine Ansicht über Marens gar nicht mal so ausgeprägte Blutrünstigkeit. Und ganz bestimmt nicht an Schmitz und meinen Auftrag, so weiterzumachen wie bisher und um Gottes willen nichts zu tun, was Maren stutzig machen könnte.
    Ich sah nur Bilder, aufregende, erregende Bilder. Marens nackter Körper, vollendete Formen, Gier und Raserei. Ein Teil von mir war überzeugt, dass diese Bilder der Vergangenheit angehörten. Dass ich Schmitz beschwindelt hatte und sich überhaupt nichts mehr rühren konnte. Ich hielt mich doch für einen gesitteten Menschen. Und ein gesitteter Mensch, der nicht auf jede bürgerliche Moral pfiff, konnte weder seine Finger noch sonst etwas in eine Frau schieben, von der er wusste, dass sie ihre Finger nach einem blutigen Gipsverband ausgestreckt hatte.
    Aber es kam, wie es immer gekommen war. Ordnung, Gesetz, Anstand, Sitte und Moral huschten mir zu den Ohren hinaus, verkrochen sich unter dem Läufer, der zwischen Tisch und Bett im Hotelzimmer lag, gurgelten mit dem Wasser der Dusche den Abfluss hinunter, verschwanden zwischen den Laken und Decken auf dem Bett. Noch einmal zum Abschied. Und diesmal wirklich und wahrhaftig zum allerletzten Mal.
    Vielleicht war es nur das, das erdrückende Bewusstsein von Endgültigkeit. Das Verlangen, Maren irgendwie und irgendwo in Sicherheit zu bringen, unerreichbar für den langen Arm des Gesetzes, unerreichbar auch für Helmut Odenwald und die Ratte. Beschützerinstinkt, und das war es vielleicht immer gewesen. Das Bedürfnis, etwas Reines zu bewahren. Sex hat etwas Reines. Er verwischt die Unterschiede, macht alle Menschen gleich, macht sie wieder zu Kindern, die nichts weiter wollen als ihr Vergnügen und ihren Vorteil, in aller Unschuld. Und Maren war reiner Sex.
    Schon als ich das Hotelzimmer betrat, rückten in meinem Hirn die Dinge wieder in die richtige Position. Sie lag ausgestreckt auf dem Bett. Und es war eben Maren, die auf dem Bett lag. Es war nicht irgendein verkommenes, sadistisches Weibsstück, das sich an den Qualen anderer Geschöpfe weiden konnte. Es war ausschließlich Maren, neugierig, experimentierfreudig, erotisch, die personifizierte Sinnlichkeit – und verrückt nach mir.
    Sie war vollständig bekleidet mit einem dunkelblauen Rock und einer hellgrauen Bluse, die gut mit ihrem Haar harmonierte. Nur ihre Schuhe standen auf dem Fußboden. In der rechten Hand hielt sie die unvermeidliche Zigarette, in der linken einen Aschenbecher. Auf ihrem Gesicht erschien das vertraute, erwartungsvolle Lächeln, als ich die Tür hinter mir schloss.
    «Hallo, Konni.»
Ich musste nicht schauspielern, mich zu nichts zwingen, war sehr überrumpelt und ein bisschen glücklich. Ich war vor allem deshalb glücklich, weil mich ihr bloßer Anblick den ganzen Dreck und mögliche Wanzen irgendwo im Zimmer vergessen ließ. Ich konnte gar nicht tief genug in sie hineinkommen. Und mit jedem

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