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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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mir von einem Spielgefährten aus dem Kindergarten erzählt. «Der Tobias darf seinen Papa jetzt überhaupt nicht mehr immer sehen, nur sonntags, dann fahren sie in den Zoo oder essen Eis. Seine Mutter lässt sich nämlich scheiden. So was macht ihr aber nie, oder?»
    Hanne hatte ihm erklärt, dass wir uns gar nicht scheiden lassen konnten, weil wir nicht verheiratet waren. Das hatte ihn beruhigt. Mich beruhigte es nicht, ich war doch nur ein Dauergast, dem man jederzeit den Koffer vor die Tür stellen konnte. So etwas fällt einem immer erst dann wieder ein, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
    Das Bier war keine Entschuldigung. Ich wusste nicht genau, wie viel ich getrunken hatte, zehn oder zwölf Gläser. Aber ich hatte nicht deswegen so lange durchgehalten. Maren wusste eben, wie man die Erregung hochpeitschte und im entscheidenden Moment abflachen ließ, um sie beim nächsten Ansteigen noch etwas höher zu treiben. Maren kannte etliche Tricks, die Hanne nicht kannte. M. K. und K. M. hatten wir früher auf die Türen im Mädchenklo geschrieben. Jetzt fühlte es sich so an, als hätte ich das M. K. mit den Zähnen eingraviert bekommen. Eine Flöte mit Monogramm.
    Ich ging langsam heim, fühlte mich so dreckig, hundeelend, ausgepumpt wie eine Waschmaschine nach dem letzten Schleudergang. So ist das, wenn vom Rausch nur noch der schale Nachgeschmack bleibt. Ich hätte alle Zeit der Welt gehabt, auszusteigen – schon beim ersten Halt und beim zweiten ganz bestimmt. Ich hätte sagen können: «Schlag dir das aus dem Kopf», oder: «Fahr zu deinem Mann.» Ich hätte sie auch auslachen können: «Gib dir keine Mühe. Porky hat dich aufgezogen, ich wollte ihm den Spaß nicht verderben. Ich bin nicht solo, und mit meiner Frau kannst du nicht mehr konkurrieren. Sie ist zehn Jahre jünger als du.»
    Ich bin sicher, diese Sprache hätte sie verstanden. Aber gesagt habe ich nichts davon. Nun hockte mir das schlechte Gewissen wie ein ekelhafter Gnom im Hinterkopf, bearbeitete den Schädelknochen mit einem kleinen Hämmerchen und schrie dabei unentwegt: «Wie konntest du nur, du Idiot? Und auch noch so lange? Wenn Hanne nun in den nächsten Tagen von irgendwem hört, dass Maren doch da war und um welche Zeit du den Saal verlassen hast? Diesmal steht entschieden mehr auf dem Spiel als damals. Und das riskierst du für einmal zum Abschied.»
    Zu Hause angekommen, ging ich ins Bad, duschte lange und viel zu heiß, wusch mir sogar die Haare, putzte mir gründlich die Zähne und gurgelte minutenlang mit einem scharfen Mundwasser. Aber ich wurde Marens Geschmack nicht los.
    Im Schlafzimmer war der Rollladen unten, es war stockdunkel, als ich hereinkam. Hanne schlief, erwachte jedoch, als ich unter meine Decke kroch. «Wie spät ist es?», murmelte sie träge.
    Ich hätte sie vielleicht belügen können, aber wenn sie zum Wecker blinzelte? «Halb sechs», sagte ich wahrheitsgemäß.
    «Ich hoffe, du hast nicht die halbe Nacht auf mich gewartet.»
«Nur bis eins», nuschelte sie ins Kissen. «Ich bin selbst erst nach zwölf heimgekommen. Wie war es denn?»
«Ganz nett», murmelte ich und drehte mich auf die Seite, mit dem Rücken zu ihr. In meinem Schädel pochte es nicht mehr, es knisterte nur noch. Als ich die Augen schloss, tauchte aus dem Nichts Marens Kopf über meinem Schoß auf. Und meine Hände, beide in ihre weißblonde Mähne verkrallt. Und statt sie an den Haaren wegzureißen, hatte ich sie runtergedrückt.
Wie ich es schaffte, Hanne an dem Sonntag ins Gesicht zu schauen, weiß ich nicht mehr. Sie war wohl schon um neun auf den Beinen und holte Oliver bei meinen Eltern ab. Mich ließ sie bis weit nach Mittag schlafen, dann brachte sie mir einen Kaffee ans Bett. Olli folgte dichtauf, das Land vor unserer Zeit unter den rechten Arm geklemmt.
«Stehst du heute gar nicht auf, Papa? Guck mal, ich hab ein Zeichen reingelegt, damit du weißt, wie weit Oma gestern gekommen ist. Sie hat mir ganz lange vorgelesen.» Damit saß er auch schon neben mir, schlug seinen Schatz auf. «Guck, hier kannst du weiterlesen.»
«Später», sagte ich. «Lass mich erst mal richtig wach werden.»
Hanne bemerkte sehr wohl, dass etwas nicht stimmte. «Du bist ziemlich verkatert», meinte sie und ließ es dabei bewenden. Ob sie zu dem Zeitpunkt schon einen Verdacht hatte, weiß ich nicht.
Am frühen Nachmittag machte sie mir eine Rindfleischsuppe aus der Tüte, kippte tüchtig Suppenwürze hinein, weil ich keinen Appetit hatte, aber ihrer

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