Mit den scharfen Waffen einer Frau
das Versprechen brechen, dass er seinem Freund auf dem Sterbebett gegeben hatte? Daisy Saxon war bei ihm. Genau in diesem Moment. Und sie brauchte die Hilfe, die er ihr versprochen hatte. Außerdem war ihm eines klar geworden: Wenn er sie jetzt fortschickte, dann nicht, weil sie nicht hierher passte. Sondern weil Jericho King einer Frau begegnet war, die ihn verunsicherte.
Mit aller Macht versuchte er, diese und weitere beunruhigenden Gedanken zu verdrängen. Schließlich sagte er: „Okay, das hier hat nie stattgefunden.“
„Hat es nicht?“ Verstört blinzelte sie ihn an.
Er ahnte, was gerade in ihr vorging. Doch verflucht sollte er sein, würde er es zugeben. „Nein, hat es nicht. Ich bin der Boss, Sie sind die Köchin. Punkt.“ Er trat zurück und drehte sich zum Fluss um. Nachdem er einige Schritte gegangen war, rief er ihr über die Schulter zu: „Kümmern Sie sich um das Lagerfeuer! Ich versuche, ein paar Fische fürs Dinner zu fangen.“
Nachdem er gegangen war, legte Daisy die Fingerspitzen an ihre Lippen, die immer noch zu vibrieren schienen. Wie benommen flüsterte sie: „Sollte kein Problem sein, das Feuer zu entfachen. Ich stehe schon in Flammen.“
Als sie zwei Stunden später gegessen hatten, begannen die Sterne am indigoblauen Himmel zu leuchten.
Viel hat er nicht gesagt, überlegte Daisy. Aber das ist ja auch nicht nötig gewesen. Sie hatte auch ohne ein Wort von ihm gewusst, was ihm durch den Kopf gegangen war. Denn sie dachte wahrscheinlich genau das Gleiche: Der Kuss hatte in ihr etwas ausgelöst, das immer noch wie eine Wunderkerze glimmte.
Sie war zu ihm gekommen, weil sie sich ein Kind von ihm wünschte. Jetzt begehrte sie ihn. Das machte die Situation zwar noch komplizierter, aber so war es eben. Merkwürdigerweise fühlte Daisy sich stärker zu ihm hingezogen, je mehr er sich von ihr distanzierte. Was das wohl über sie aussagte!
Als sie das Geschirr zusammenräumte, um es im Fluss abzuwaschen, nahm Jericho es ihr ab.
„Das ist meine Aufgabe, schon vergessen?“, fragte sie. „Als Teil des Zeig-dass-du-es-wert-bist-Survival-Tests .“
Er lächelte ihr zu, schüttelte den Kopf und ging mit dem Geschirr zum Fluss. Natürlich folgte sie ihm, weil sie es sich nicht nehmen lassen wollte, ihre Aufgabe zu erledigen. Das Essen war ihr auch gut gelungen. Zumindest sah sie es als gutes Zeichen, dass Jericho zwei Fische verspeist hatte. Trotzdem war sie bei dem ganzen Lagerabenteuer auch für den Abwasch zuständig. Und sie hatte nicht vor, sich später nachsagen zu lassen, dass sie nur zur Hälfte bestanden hatte.
„Ernsthaft, ich wasche ab.“ Sobald sie ihn am Fluss eingeholt hatte, nahm sie ihm Teller und Besteck ab, kniete sich in den Sand und begann, das Geschirr zu säubern.
Er hockte sich neben sie und wartete, bis sie ihn ansah. „Hilfe anzunehmen heißt nicht, darauf angewiesen zu sein.“
„Ich weiß. Aber du bist derjenige, der gesagt hat, es sei meine Aufgabe. Außerdem möchte ich es tun. Ich möchte beweisen, dass ich mich für diesen Job eigne.“
„Das hast du doch schon.“
Sie hielt inne. „Wirklich?“
Er zuckte die Schultern und ließ seinen Blick schweifen. Dann sah er sie wieder an und lächelte zögernd. „Du kannst gut am Lagerfeuer kochen.“
„Ja?“ Daisy lächelte verschämt. „Danke. Ich habe gesehen, dass du viel gegessen hast.“
Er lachte kurz auf. „Tja, bis jetzt bin ich hier draußen auch noch nicht in den Genuss gebratener Forellen mit Kräutersoße gekommen.“
„Na ja, ein paar Zutaten habe ich einfach aus der Küche mitgenommen. Mit den richtigen Gewürzen kann man aus jedem Essen ein Festmahl zaubern …“
„Wieder was dazugelernt.“
Es dauerte nicht lange, bis das Geschirr sauber war. Danach gingen sie zum Lagerfeuer zurück, wo sie in einvernehmlichem Schweigen alles gemeinsam an seinen Platz räumten. Anschließend setzten sie sich einander gegenüber ans Feuer. Noch immer sagte keiner ein Wort, und die Stille erzeugte eine fast spürbare Spannung.
Schließlich hielt Daisy es nicht mehr aus und ergriff das Wort. Sie war einfach nicht gewohnt, so lange zu schweigen. Außerdem war es an der Zeit herauszufinden, wie seine Bewertung ausfiel. Wenn sie ihm zuvorkam, gab ihr das die Gelegenheit, ihre Sicht auf die mehr schlechte als rechte Ausführung seiner Tests zu äußern.
Er hatte zwar zugegeben, dass er darüber nachdachte, ihr den Job zu geben. Aber wenn er seine Entscheidung tatsächlich von ihren Testergebnissen
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