Mit den scharfen Waffen einer Frau
weitersprach, verflüchtigte sich dieses Prickeln etwas, aber nicht ganz.
„Ich mag deine Einstellung. Aber lass dir eines gesagt sein: Dickköpfigkeit allein reicht nicht, wenn hier die ersten Schneeflocken fallen und man vom Rest der Welt abgeschnitten ist.“ Er legte einen Unterarm aufs hochgezogene Knie und sah sie durch die Flammen hindurch eindringlich an. „Das Leben hier oben ist alles andere als leicht. Du bist eine Frau, die nicht an diese Stille gewöhnt ist …“
„Ich mag die Stille“, unterbrach sie ihn.
Er lachte kurz. „Du kannst ja nicht einmal zehn Minuten am Stück still sein.“
Daisy warf ihm einen gekränkten Blick zu, widersprach aber nicht.
„Ich sage doch nur, dass es keine Schande ist, wenn du gehen willst, sobald du herausgefunden hast, dass das hier nichts für dich ist.“
„Darauf wartest du nur, oder?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Das musst du auch nicht“, entgegnete sie. „Ich glaube immer noch, dass es das Beste ist. Und ich beweise dir, dass ich die Richtige bin.“
Er nickte. „Du bekommst deine Chance.“
„Mehr will ich auch nicht.“ Daisy wusste, dass er immer noch an ihr zweifelte. Doch sie würde es ihm schon zeigen und ihn überzeugen. Und dann – nun dachte sie wieder an den Kuss – würde sie ihn verführen.
Sie musste zugeben, dass sie an diesen Moment mit größerer Vorfreude dachte als noch zum Zeitpunkt ihrer Ankunft. In Jericho King steckte mehr. In ihm loderte Leidenschaft, er hatte Feuer. Das spürte sie, und sie sehnte sich danach, seine Hitze noch einmal zu spüren. Danach würde er nicht mehr sagen können, es wäre nichts geschehen. Sie lächelte in sich hinein, erschrak aber plötzlich, als sie in der Ferne ein unheimliches Geheul hörte.
„Was war das?“
„Kojoten.“
„Oh Gott.“ Sie versuchte ruhig zu atmen und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr das Geheul Angst einjagte. „Die habe ich letzte Nacht gar nicht gehört.“
„Wahrscheinlich waren sie noch zu weit weg. Sie legen lange Strecken zurück, kommen aber immer wieder nach Hause.“
„Und das ist vermutlich hier“, murmelte sie und sah ängstlich in den dunklen Wald, der sie umgab.
„Sie sind zuerst hier gewesen“, erwiderte er schulterzuckend.
„Na, jetzt fühle ich mich ja schon viel besser.“ Ich werde mich schon noch daran gewöhnen, sprach sie sich Mut zu. Außerdem war sie ja nicht gezwungen, draußen bei den wilden Tieren zu leben. Sie und Nikki würden ihr eigenes Zimmer im Haus haben. Und sie würde darauf achten, dass sie sich nicht zu weit … Nikki!
Panisch sah Daisy sich um. Als sie Nikki nirgendwo entdeckte, schien ihr Herz stehen zu bleiben. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie Nikki seit dem Dinner nicht mehr gesehen hatte. Plötzlich ertönte, wie um sie wieder zu erschrecken, ein schauerlicher Laut aus dem dunklen Wald. Bestimmt war das ein Kojote, der sehr, sehr hungrig war.
7. KAPITEL
„Jericho!“, rief Daisy aufgeregt. „Nikki ist weg. Nikki! Nikki, Baby, komm zu Mommy!“
Das wiederkehrende Geheul eines Kojoten ging ihr durch Mark und Bein. Er ist bestimmt ganz nahe, dachte sie angsterfüllt. Wie viele von diesen Biestern gab es da draußen eigentlich?
„Verfluchter Kläffer“, murmelte Jericho und richtete sich auf, während Daisy verzweifelt um das Lagerfeuer herumlief. Sie blickte zum Wald, konnte aber wegen der Dunkelheit kaum etwas erkennen. Sie achtete auf das leiseste Geräusch, das kleinste Jaulen, doch da war nichts. Es war, als hätte der Wald ihren kleinen Hund verschluckt.
„Wo ist sie nur?“ Daisy warf Jericho einen panischen Blick zu. „Sie muss ausgerissen sein, als ich einen Moment lang weggesehen habe. Oh Gott, wie konnte ich nur so verantwortungslos sein? Nikki!“
Bevor er etwas sagen konnte, rannte Daisy blindlings in den Wald hinein. Wenn es hier wirklich Kojoten gab, war Nikki in großer Gefahr. Und ein willkommener Snack für wilde Bestien, die fünfmal so groß waren wie sie.
Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie hastete durchs Geäst und achtete nicht auf die spitzen Äste und Nadeln. „Nikki! Komm her, Kleine!“
„Verdammt noch mal, Daisy!“ Sie hörte zwar, dass Jericho nach ihr rief, lief aber trotzdem weiter.
Verzweifelt starrte sie in die Dunkelheit. Wieder und wieder rief sie nach Nikki und hoffte, endlich das erlösende Gebell zu hören. Doch ihr schlug nur die Stille entgegen. Je weiter sie sich vom Fluss entfernte, desto verzweifelter wurde sie. Wie sollte sie Nikki nur
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