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Mit der Linie 4 um die Welt

Mit der Linie 4 um die Welt

Titel: Mit der Linie 4 um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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passt damit zum Viertel, das eine angenehme Ruhe inmitten der allgemeinen Berliner Aufgeregtheit ausstrahlt. Ein paar Hundert Meter weiter, am Leopoldplatz, geht es härter zu, da ist der Wedding immer noch das Armenhaus Berlins, geprägt von Menschen, die ihre schwierige Lebensgeschichte im Gesicht tragen.
    Der Bus fährt durch die Sprengelstraße zur Hauptstraße, der Luxemburger Straße, zurück, die Bahn nahm die Triftstraße. Am Amrumer Platz treffen sie sich virtuell.
    Vom Sprengelkiez sind es nur wenige Minuten bis zum Westhafen, wo das vierte Berlin beginnt.
    Kilometer 11,1 bis 13,5: Westhafen bis Hansaplatz
    Der Westhafen ist der wichtigste Hafen Berlins und neben Duisburg der zweitgrößte Binnenhafen Deutschlands. Sicher ist die 4, wenn sie hier ankam, Mitte der zwanziger Jahre, voll gewesen, viele werden aus- und nach der Schicht wieder eingestiegen sein. Der Hafen war ein großer Arbeitgeber, die Waren wurden zum Teil noch per Muskelkraft aus dem Laderaum gelöscht. Wer keinen Job in den Maschinen- und Elektrobetrieben des Wedding gefunden hatte, kam hier unter. Heute ist das Gelände am frühen Abend eines gewöhnlichen Wochentags wie ausgestorben. Bis auf den Pförtner ist niemand zu sehen. Das Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek im ehemaligen Getreidespeicher schließt um 17 Uhr. Eine Lokomotive der BEHALA , der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft, wird rangiert, im Hafenbecken liegen zwei Fahrgastschiffe. Auf alten Fotos ist das Hafenbecken voller Kähne, die dicht an dicht treiben. Die Binnenschiffe haben heute nur eine kurze Liegezeit. Alles andere wäre zu teuer, die Branche ist in der Krise. Als ich vor zwölf Jahren schon einmal hier recherchierte, gab es noch eine richtige Hafenkneipe mit schlagfertigen Kellnerinnen und betrunkenen Süßwassermatrosen. Diese Parallelgesellschaft wurde zugunsten eines nagelneuen Dentallabors eliminiert. Die Wege vor den Hafenanlagen sind frisch gepflastert, das repräsentative Verwaltungsgebäude erstrahlt in renoviertem Glanz. Nur die Schifferkirche am Eingang des Hafengeländes sieht aus, als wäre sie vom Glauben abgefallen. Hier hatte ich vor zwölf Jahren den einzigen Schiffspfarrer der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg besucht, der mit seinem Boot Wichern Archenova auf den Berliner Gewässern herumschipperte, wo er auf den Kähnen den Matrosen Trost und Bibeln spendete. In den Infokästen sind die Plakate bis zur Unkenntlichkeit verblichen. Im Internet lese ich, dass die Miete zu hoch war und die Schifferkirche in einen anderen Raum auf dem Hafengelände umgezogen ist.
    In Zeiten der Containerterminals hat der Berliner Westhafen seine Bedeutung verloren. »Berlin ist eine Hafenstadt, auch wenn es hier niemals nach Meer riecht«, habe ich damals geschrieben. Nach Meer riecht es immer noch nicht, auch nicht nach Brackwasser, und Berlin hat zwar noch diesen Hafen, wo täglich Schiffe abgefertigt werden, aber sie Hafenstadt zu nennen, scheint übertrieben.
    Ich laufe die Treppe zum U-Bahnhof Westhafen hinunter, dessen Eingang etwas versteckt liegt. 1961 wurde der Bahnhof unter dem Namen Putlitzstraße eröffnet. Der Bau der U-Bahnlinie 9, lange geplant und erst Mitte der fünfziger Jahre in Angriff genommen, wurde mit der immer stärker spürbaren Teilung der Stadt forciert, um den Wedding mit dem Kurfürstendamm und dem damals einzigen Westberliner Fernbahnhof Bahnhof Zoo zu verbinden. Die U9 ersetzte etliche Straßenbahnlinien, unter anderem die Ost-West-Ringlinie, deren Verlauf sie entlang dreier Haltestellen bis zum Hansaplatz übernimmt. Drei Mal nur hielt auch die 4 (und später die 2) auf ihrem Weg ins vornehme Hansaviertel. An der Oberfläche verläuft die Stromstraße durch Moabit, ein Viertel, das seit einigen Jahren zum Ausweichort für all jene durch Gentrifizierung aus ihrem Stadtviertel Vertriebenen geworden ist. Die ersten Galerien haben schon aufgemacht, aber bislang ist die Gegend noch rau, bis auf ein paar Häuser am Ufer der Spree, wo es etwas bürgerlicher zugeht. Die U-Bahn ist am frühen Abend leer. Auf dem U-Bahnhof Hansaplatz ist die Zeit in den sechziger Jahren stehen geblieben. Es ist eine Uhr ohne Zahlen, nur mit schicken Strichen. Nachkriegsmoderne in Westberlin.
    Kilometer 13,5 bis 16,5: Hansaplatz bis Magdeburger Platz
    Das Hansaviertel ist das fünfte Berlin nach Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Wedding und Moabit, das die imaginäre Ost-West-Ringlinie durchfährt. Jedes Haus macht den Eindruck, als hätte hier jemand

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