Mit der Zeit
muß erst noch Velden anrufen.«
»Die Rechnungen sind schon bezahlt. Muß es unbedingt sein?«
»Ja. Ich benütze das Münztelefon in der Eingangshalle. Ja, ich mache so schnell ich kann.«
Schelm hörte sich meinen Plan für die Fahrt zur Grenze schweigend und ohne sonderliche Begeisterung an, aber er versuchte nicht, mich davon abzubringen.
»Es könnte funktionieren«, sagte er. »Ich hoffe, es geht gut.«
»Können Ihre Freunde auf der anderen Seite nicht ein bißchen näher an die Grenze heranrücken als nur bis Tarvisio?«
»Ich habe sie bereits darum gebeten. Wie Sie mir sagten, ist der Ortofilm-Kombi deutlich markiert und leicht zu erkennen. Es ist ausgemacht, daß die Carabinieri eine vorübergehende Straßensperre errichten, auf einem geraden Straßenstück im Norden eines Dorfes namens Coccau-alto. Das ist kaum vier Kilometer von der Grenze entfernt, und es ist eine vielbefahrene Straße. Die tun uns einen großen Gefallen. Der Fahrer des Kombis muß folgendes tun: Es ist ein Wintersportgebiet, und genau an der Stelle zweigt rechts ein kleines Sträßchen ab, das während der Saison zu einem Sessellift führt. Sobald der Fahrer das Stopzeichen der Carabinieri sieht, muß er von der Hauptstraße herunter und in dieses Nebensträßchen einbiegen und dann anhalten.«
»Was dann?«
»Alle Personen in dem Kombi werden sofort in die Kaserne der Carabinieri gebracht. Was danach mit ihnen geschieht, braucht Sie nicht zu interessieren, Bob.«
»Wie viele Carabinieri werden dort sein, und was für Fahrzeuge werden sie benutzen?«
»Derlei Einzelheiten sind mir nicht genannt worden. Warum wollen Sie das wissen?«
»Jeeps wären nicht gut, und einige dieser Kastenwagen, wie die Carabinieri sie fahren, sind reichlich dünnwandig. Wenn auf die geschossen wird, möchte ich nicht gern drinsitzen.«
»Die Antiterror-Brigade der Carabinieri gehört zu den erfahrensten in ganz Europa. Aber wenn Sie halbwegs vernünftig sind, Bob, werden Sie zu dem Zeitpunkt auf einer anderen Route auf dem Weg nach Mailand sein. Niemand wird auf Sie schießen. Ich möchte annehmen, daß bei Pacioli inzwischen ein zweiter Scheck auf Sie wartet.«
»Um die Schecks kümmert sich meine Agentin, Herr Mesner. Dann also bis später.«
Der Hoteldirektor stand am Empfang und gab sich höchst leutselig. Er weigerte sich, für das Gespräch Geld zu nehmen. Ich sagte ihm, wenn sich irgendeine Möglichkeit für mich ergebe, im Verlauf meiner Zeitungs- und Funkinterviews beiläufig das Gasthaus Dr. Wohak einzubauen, dann könne er fest mit mir rechnen.
Mokhtar und Jasmin saßen hinten im Kombi und kauten etwas, das rosarot aussah. Sie wirkten gelangweilt. Die vergangenen zwei Tage waren für sie nicht gerade unterhaltsam gewesen. Ihre besonderen Fertigkeiten waren nicht gefragt gewesen. Sie hatten lediglich ehrfurchtgebietend dreinblicken und sich ruhig verhalten müssen. Die einzigen Süßigkeiten, die es am Ort zu kaufen gab, waren nicht von der Sorte, die sie wirklich mochten.
»Ich hab da noch etwas vergessen«, sagte ich, während ich vorne neben Simone einstieg. »Sie sagten doch, im Kastenwagen seien Gewehre und Munition versteckt. Der wird aber nur bis zur Grenze mitkommen.«
»Ich habe das nicht vergessen«, sagte sie. »Es ist jetzt alles hier drin. Unter dem Gepäck hinter den Rücksitzen. Die jungen Leute haben am frühen Morgen die Gewehre gereinigt. Riechen Sie denn das Öl nicht?«
Jetzt, nachdem sie es erwähnt hatte, fand ich tatsächlich, daß es nach Öl roch – und ich hatte geglaubt, es seien die österreichischen Süßigkeiten.
Elftes Kapitel
D
as Pölstal erstreckt sich von der Straße Klagenfurt-Wien aus nach Norden, etwa fünf Kilometer westlich von Judenburg. Heute besteht es weitgehend aus Weideland mit keilförmigen dunklen Nadelholz-Schonungen an den Hängen, aber im zwölften Jahrhundert war ein vielleicht fünfundzwanzig Kilometer langer Abschnitt des Tales mit der Stadt Möderbrugg als Mittelpunkt schon lange ein Bergbau- und Industriegebiet. Wie lange, kann niemand genau sagen, aber da in der Talsohle einst eine vielbenutzte römische Straße verlief, müssen die Ausstriche der silberhaltigen Blei- und Zinkerze in den Kalkalpen schon vor dem Mittelalter bekannt gewesen sein, lange bevor die zu ihrem Abbau erforderlichen Techniken den Einheimischen zur Verfügung standen. Wahrscheinlich waren es Sachsen, die diese Techniken schließlich einführten. Sie waren im frühen Mittelalter die großen
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