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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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wirkliche Absicht liegt auf der Hand: er will allen unfreundlichen Fragen aus dem Wege gehen, die ihn zu der Entscheidung zwingen könnten, entweder das einem Schuldgeständnis gleichkommende Schweigen aufrechtzuerhalten oder aber zu versuchen, etwas zu verteidigen, was gar nicht zu verteidigen ist. Wenn er nun aber einem Interviewer wie dem Amerikaner Halliday gegenübersteht, der ihm als wohlwollend angekündigt worden ist, läßt er sich möglicherweise dazu verleiten, seine Sicht der Dinge mit jenem unbekümmerten Mangelan Zurückhaltung darzustellen, der oft die Wahrheit erkennen läßt, ohne daß es der Betreffende merkt. Das ergibt oft spannendes Fernsehen. Der respektvolle, entgegenkommende Interviewer hat mit seinen wenigen sorgfältig formulierten Suggestivfragen oft genug Erfolg gehabt, wo härter zupackende Frager gescheitert sind. Dank dem Zeitunterschied zwischen hier und New York konnte ich meinen Produzenten dort erreichen und mich vergewissern, daß er mit der neu vorgeschlagenen Richtung einverstanden ist.
    Leider sind praktische Schwierigkeiten aufgetaucht, die mir bei unserer Unterhaltung heute abend noch nicht bekannt waren. Wie man mir sagt, wird unsere Truppe mitsamt ihren Fahrzeugen mittlerweile streng überwacht, und zwar von einer internationalen (nicht österreichischen) Spezialorganisation, die dieser paranoide Herrscher eigens angeheuert hat, und diese Überwachung läuft weiter, solange wir innerhalb der Grenzen Ihres Landes sind. Unter diesen Umständen scheint es mir ratsam, unsere Abmachungen zu ändern und Ihnen den Film auf anderem Weg zur Entwicklung auszuhändigen. Es wäre ideal, wenn wir unsere Bewacher glauben machen könnten, der ORF sei mit seinem Bemühen, an den Film heranzukommen, gescheitert. Das würde Ihnen den Ärger mit den Rechtsanwälten des Herrschers in Wien ersparen, die bestimmt versuchen würden, den Film durch Gerichtsbeschluß beschlagnahmen zu lassen, bevor Sie noch eine Chance hätten, ihn zu senden. Deshalb wird die Ortofilm-Truppe (und mit ihr der von den Holländern gedrehte Film) die Petrucher-Mine morgen nachmittag möglichst früh verlassen und über Villach und den Grenzposten Arnoldstein geradewegs nach Italien fahren. Ich schlage vor, daß wir bei der tatsächlichen Übergabe der Filmdose wie folgt vorgehen.

    Um zwei war ich fertig. Dann rief ich Barbara in ihrer Wohnung in New York an. Ich hatte keine Angst, daß Rainer meine Ferngespräche überwachen würde. Man konnte von dem Apparat im Zimmer direkt durchwählen, und er konnte allenfalls – wenn er sich überhaupt die Mühe machte – die Höhe meiner Telefongebühren auf der Hotelrechnung feststellen.
    Zu Barbara sagte ich, nach ein paar Belanglosigkeiten: »Es wird Sie interessieren, daß ich morgen ein Fernsehinterview mit einem Ölscheich machen werde, der sich ein österreichisches Bergwerk mit heilenden Kräften gekauft hat.«
    »Ein was?«
    »Schon gut. Sind Sie immer noch mit diesem Produzenten befreundet, der sich mit First of the Week damals um seinen Job gebracht hat?«
    »Leidlich. Ich habe immer die Ansicht vertreten, daß es nicht ausschließlich Ihre Schuld war. Jetzt arbeitet er für das nicht-kommerzielle Fernsehen und führt ein besseres Leben.«
    »Würde er gern etwas umsonst bekommen?«
    »Robert? Reden jetzt Sie oder diese Memoiren?«
    »Es hat nichts mit den Memoiren zu tun. Er braucht nur einen Anruf vom ORF entgegenzunehmen. Das ist das österreichische Fernsehen in Wien. Der Anrufer ist ein Produzent aus der Abteilung für Zeitgeschehen und heißt Christian Rainer. Er wird folgendes zu sagen haben.«
    Es war halb drei, als ich mich wieder ins Bett legte.
    Das Frühstück kam um halb acht, und ich gab dem Zimmermädchen den Brief und bat sie, ihn in Rainers Zimmer zu bringen. Minuten später rief er an.
    »Eine sehr angenehme Überraschung so früh am Morgen, Mr. Halliday.« Er sagte es allerdings sehr vorsichtig.
    »Freut mich, daß Sie es so sehen. Was ist mit den Details der Übergabe? Sind Sie einverstanden?«
    »Wenn Sie sie wirklich für erforderlich halten. Aber wir werden erst mal das Geschäftliche regeln müssen. Ich brauche den Namen Ihres Chefs in New York.«
    »In Ordnung. Wie ich sagte, habe ich bereits angerufen und die Situation erklärt. Es ist ein PBS-Projekt, und der zuständige Produzent erwartet Ihren Anruf noch im Laufe des Vormittags, New Yorker Ortszeit natürlich. Ich gebe Ihnen gleich den Namen und die Telefonnummer. Lassen Sie mich aber

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