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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Stufe gewesen, und damit hatten stets die Probleme der Entwässerung, Entlüftung, Abstützung und Förderung begonnen. So erpicht war Dr. Petrucher darauf gewesen, die uralten Wunder seiner Mine zu erforschen, daß er sein Haus auf Fundamente gebaut hatte, die in den bewaldeten Hang hinausragten. Auf die Weise war es ihm möglich gewesen, den Stollenzugang unmittelbar in seinem Wohnzimmer zu haben. Die Folge war natürlich, daß sämtliche Fenster auf der Vorderseite des Hauses lagen. Für einen Mann, der sich so sehr mit seinem Hobby identifizierte, war das bestimmt kein zu hoher Preis gewesen. Seine Frau muß ihn entweder sehr gemocht haben, oder aber sie hatte auch einen leichten Spleen.
    Links vom Haupthaus befand sich ein kleiner Anbau, an dessen Seitenwand jemand – vielleicht Petruchers Enkel – in Frakturschrift das Wort MUSEUM gepinselt hatte. Es war kaum noch sichtbar. Als Simone den Wagen geparkt und den Motor abgestellt hatte, zog sich der Wachposten mit dem Hund zurück, um seinem Vorgesetzten Platz zu machen, einer martialischen Gestalt mit einem Offizieren vorbehaltenen, auf Hochglanz polierten Schwertkoppel, an dem ein Revolver hing. Er sagte auf deutsch etwas zu mir, was ich nicht verstand. Simone antwortete und dolmetschte.
    »Der Patron möchte mich im Haus sprechen«, sagte sie beim Aussteigen. »Sie und Jean-Pierre, ihr könnt hier bleiben oder euch ins Museum setzen, wie ihr wollt. Umherwandern ist nicht erlaubt. Die jungen Leute bleiben bei den Fahrzeugen.« Sie wiederholte die Anweisungen, damit auch Mokhtar und Jasmin sie verstehen konnten, und ging dann hinüber zum Lieferwagen, um mit Jean-Pierre zu sprechen, bevor sie dem Sicherheitschef zunickte, daß sie bereit war, sich ins Haus führen zu lassen.
    Ich stieg aus dem Kombi und ging hinüber zu Jean-Pierre.
    »Kommen Sie mit ins Museum?« fragte ich.
    »Danke, nein.« Mit einem bedeutungsvollen Blick streifte er den Wachposten mit dem Hund. »Die haben zwei solcher Bestien hier, vielleicht noch mehr. Diese Männer glauben zwar, sie hätten sie unter Kontrolle, aber ich habe erlebt, was passieren kann, wenn irgend etwas schiefgeht. Dann fließt eine Menge Blut, und alle sagen, so etwas sei noch nie vorgekommen.«
    »So denken manche Leute auch über Sitzgurte in Autos – daß sie sich als gefährlich erweisen können, meine ich. Falls es da drin etwas Lohnendes zu sehen gibt, erzähle ich es Ihnen später.«
    Das Museum war ein großer quadratischer Raum mit gemauerten Wänden, zwei Flügelfenstern, einer schweren hölzernen Tür und einem mit Fliesen ausgelegten Boden. Von der Decke hing eine Petroleumlampe. Es sah nicht so aus, als sei sie in letzter Zeit gereinigt oder angezündet worden, aber es war immer noch Petroleum drin. Das ließ den ganzen Raum leicht nach vergangenen Tagen riechen. Die Ausstellungsstücke waren größtenteils in zwei Glasvitrinen. Andere, die für die Vitrinen zu groß oder zu schwer waren, standen an einer der fensterlosen Wände.
    Ich blickte zuerst in die Vitrinen. Neben jedem Objekt lag ein vergilbtes Schildchen mit einer in Sepiatinte geschriebenen Erklärung. Die eine Vitrine enthielt nichts als Skelette, die in der Mine gefunden worden waren. Sie waren vorwiegend von kleinen Säugetieren – Katzen, Hunden und unterschiedlich großen Nagetieren –, aber auch ein oder zwei Vögel waren dabei, außerdem ein unvollständiges menschliches Skelett. Ich gab mir große Mühe, die dazugehörige Beschreibung zu entziffern, aber die Schrift und meine mangelhaften Deutschkenntnisse ließen mich scheitern. In der anderen Vitrine waren die Werkzeuge untergebracht. Auch sie waren aus den Tiefen der Mine geholt worden, und es waren, wie zu erwarten, fast ausnahmslos Handwerkzeuge, denen nur der hölzerne Griff oder Stiel fehlte. Es gab da Pickel, Schaufeln, Hämmer und Keile, und sie waren – wie ich rasch herausfand – chronologisch geordnet. Dr. Petrucher hatte beispielsweise den Pickeln Annäherungsdaten beigegeben, die sich über drei Jahrhunderte erstreckten. Zunächst begriff ich nicht, wie das gemacht worden war. Die Pickel schienen alle identisch, wenn man von kleinen Abweichungen in der Größe und in der Art ihrer Krümmung absah. Die Unterschiede hätten mit der simplen Feststellung erklärt werden können, daß sie nicht alle von demselben Werkzeugmacher stammten. Dann bemerkte ich jedoch, daß neben den Kärtchen mit dem Datum jeweils eine Münze lag. In einem anderen Teil der Vitrine befand sich

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