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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Entdeckung machte ich allerdings erst später. Mein erster Eindruck vom Innern des Hauses sagte mir, daß ich in einem billigen Filmstudio hinter die Fassade einer steirischen Jagdhütte geraten war, die ziemlich nachlässig an einen Abschnitt der nachgebauten Berglandschaft gelehnt worden war, wie sie für Aufnahmen von tödlichen Zweikämpfen auf Felsvorsprüngen verwendet wurde. Im Hausflur ragte ein fest mit dem Berghang verwachsener riesiger Kalksteinbrocken in Kopfhöhe aus der rückwärtigen Mauer, so daß man im Bogen um ihn herumgehen mußte, um dann endlich ins Wohnzimmer zu gelangen.
    Vor der Tür blieben wir stehen. Der Erste Sekretär war kurzatmig, und er schwitzte mächtig. Er wischte sich mit einem übergroßen Taschentuch das Gesicht ab und schaute mich dann über dessen Rand hinweg prüfend an. »Man versichert mir, daß Sie keine Waffe bei sich haben, Mr. Halliday. Ist das richtig?«
    »Das ist richtig.«
    »Wenn Seine Hoheit bei einer Audienz das erstemal von Ihrer Anwesenheit Notiz nimmt, sollten Sie den Kopf neigen.«
    »Ich werde versuchen, daran zu denken.«
    »Dann folgen Sie mir.« Mit einem der Ringe an seinen Fingern kratzte er an der Tür und wartete. Ich erwischte einen Blick aus Zanders Augen. Unverblümt sagten sie mir, ich solle bloß nicht den Narren spielen. Wenn der Erste Sekretär Seiner Hoheit sagte, ich solle mich verneigen, dann sollte ich das auch tun. Ich müsse meine unwichtige, blödsinnige Würde vergessen.
    Im Zimmer läutete ein Glöckchen. Der Erste Sekretär öffnete mit elegantem Schwung. »Eure Hoheit«, verkündete er, »gemäß den Anweisungen, die Sie im Monat Shawwal Ihrem französischen Einkaufsbevollmächtigten gegeben haben, hat er Ihnen den Journalisten und Fernsehreporter Mr. Halliday hergebracht.«
    Als ich zögerte und noch überlegte, ob ich wohl seitlich am Bauch des Ersten Sekretärs vorbeikommen würde, gab mir Zander einen Stups, und der Sekretär wich geringfügig zurück, um uns passieren zu lassen.
    »Geben Sie acht auf die Stufe«, murmelte er.
    Tatsächlich waren es zwei Stufen, und zwar von der gebogenen Sorte, an der man sich leicht den Knöchel brechen kann. Es war ein absurdes Haus, aber in diesem einen Raum war der Grund dafür zu suchen. Auf der entlegenen Seite gab es einen großen offenen Kamin; in die Wand zur Linken war der Eingang zu dem Stollen eingebaut. Von einem massiven steinernen Architrav eingerahmt und von der Außenwelt durch zwei Flügeltüren aus Stahlblech abgeschirmt, beherrschte dieser Eingang den ganzen Raum. Der steinerne Rahmen war offensichtlich Teil des alten Hauses und war – wahrscheinlich von dem hervorragenden Steinmetz, der auch die Grabsteine auf dem örtlichen Friedhof geschaffen hatte – mit einem einfachen Muster aus Spiralen und Schnörkeln verziert worden. Hier und da war etwas abgesplittert, und Vandalen hatten versucht, an den leichter zugänglichen Stellen Initialen und andere Mitteilungen für die Nachwelt einzumeißeln, aber sonst hatte sich der Rahmen gut gehalten. Die zwei Stahltüren mit den angeschweißten Spangen und gewichtig aussehenden modernen Vorhängeschlössern waren eindeutig erst in jüngster Zeit eingebaut worden.
    Der Herrscher hatte sich zu unserem Empfang zwischen den offenen Kamin und den Stolleneingang gestellt, und er hatte zu dem Anlaß arabische Kleidung angelegt. Gewand und Kopfschmuck waren vollkommen weiß. Doch von den zwei Fenstern her kam genügend Licht, und so war es möglich, das Glitzern der Goldfäden zu sehen, die in das auf seiner hohen Stirn ruhende schwarze seidene agal gewoben worden waren. An einem großen, bärtigen Mann mit einer guten Körperhaltung und nicht zuviel Fett kann das aus kostbaren Stoffen gemachte arabische Gewand sehr vorteilhaft aussehen. Auf der anderen Seite des Raumes sah jedenfalls der Herrscher höchst eindrucksvoll aus. Erst wenn man näher heranging, wenn man das einnehmende Gesicht mit der vorwitzigen Oberlippe und den Augen sah, die einem einredeten, niemand habe ihn je ganz verstanden, erst dann fing man an, sich seine Gedanken zu machen.
    Psychopathen können natürlich gute Schauspieler sein, und sie sind schwer einzuschätzen, wenn man keine anderen Anhaltspunkte hat als die Sprüche, die sie machen, und die Gesichter, die sie ziehen können. Aber für mich war das eigentlich Sonderbare, daß es jemand mit Zanders Scharfsinn und Erfahrung hatte entgehen können, daß dieser Mann, der da vor mir stand und so würdig und huldvoll

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