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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Böschung, um Höhe zu gewinnen und seinem Angriff so viel Wucht zu verleihen, daß er den Kastenwagen seitlich rammen und umstürzen konnte. Weiter unten hätte das vielleicht funktioniert, aber bei der starken Steigung gelang es ihm nicht, so viel Schwung zu bekommen, daß er das schwerere Fahrzeug hätte umwerfen können. Der Kastenwagen schwankte nur und brach etwas aus, aber Guido steuerte ihn sofort wieder in die Straßenmitte zurück.
    Zander setzte seine Reportage fort, aber nun zum Vordersitz hin und auf englisch. »Den Trick werden sie nicht noch mal versuchen«, sagte er. »Dieser Lastwagen, der gerade an uns vorbei talabwärts fuhr, wird sie zwingen, in der Kurve hinten zu bleiben. Fang jetzt an, Simone, nach dem Fahrweg auf der linken Seite Ausschau zu halten. Unmittelbar daneben muß eine Kreuzwegstation aus Stein stehen, ein alter Bildstock mit einem kleinen Giebeldach. Am besten orientierst du dich an dem. Der Fahrweg wird möglicherweise schon lange nicht mehr benutzt und wird dann schwer zu sehen sein. Aber er dürfte nur noch etwa einen Kilometer weit weg sein.«
    Der Rasmuk-Wagen war zurückgefallen, um erst den bergab fahrenden Lastwagen durchzulassen. Während ich mir noch überlegte, ob Bourger nach den fehlgeschlagenen Versuchen nur auf einen günstigeren Augenblick wartete, löste er das Problem auf ganz andere Art.
    Der Citroën fuhr dicht auf den Kastenwagen auf und schob sich dabei ganz langsam immer weiter nach links. Dann beugte sich Bourger selbst aus dem Fenster an der Beifahrerseite und stützte sich dabei mit beiden Ellbogen auf. In den Händen hatte er eine kurze Maschinenpistole. Es war die Sorte, bei der man den durchbrochenen Kolben wegklappen kann, so daß er dem Pistolengriff nicht mehr im Weg ist. Er schob die Waffe behutsam nach vorn, bis er mit der Linken die Laufwandung umklammern und sich gleichzeitig an der Strebe der Windschutzscheibe festhalten konnte. Dann feuerte er eine lange automatische Salve mitten in die linke Tür auf der Rückseite des Kastenwagens.
    Das war es dann auch schon. Ich sah, wie vorne die Windschutzscheibe platzte und ein großer roter Fleck, der einmal Guidos blaues Hemd gewesen war, im Fahrersitz hochgerissen wurde, als alles umzukippen schien. Dann fiel der Kastenwagen wieder auf seine Federn zurück und fuhr am Rand der Straße entlang, bis er in einen dieser Beton-Schneepflöcke krachte, die außen in der Kurve aus der Böschung ragten. Doch Bourgers Fahrer wartete das gar nicht mehr ab. Sobald der Kastenwagen die Straßenmitte freigegeben hatte, war der Citroën auch schon vorbei und raste hinter uns her den Berg hinauf.
    Ich sah Zander an. Sein Gesicht war weiß und angespannt, und das einfältige Lächeln wirkte gespenstisch. »Guido hat sich dazu gemeldet«, sagte er, »freiwillig gemeldet.« Als keiner etwas sagte, berührte er Simone an der Schulter. »Sie haben Guido getötet.«
    »Ich habe das Dauerfeuer gehört, Patron.« Es gelang ihr nur mit Mühe, kühl und gelassen zu bleiben. Sie war sehr verärgert. »Unser stattlicher junger Hirte sagte Ihnen, sie hätten nur Revolver. Haben Sie ihm geglaubt, Patron?«
    »Nein, aber ich dachte, sie würden ihre eigentliche Feuerkraft zurückhalten, um uns später damit zu überraschen. Jean-Pierre wird aufgebracht sein. Er war immer dagegen, Guido bei Operationen außerhalb des Pariser Büros einzusetzen. Aber Guido gefiel mir. Er war ehrgeizig. Er wollte praktische Erfahrung sammeln.«
    »Worin?« fragte ich. »In Bandenkriegen?«
    »Was ihn interessierte, waren geheime Verhandlungen, die Art von Geschäft, die – wie er auf Grund seiner Arbeit bei uns wußte – besonders einträglich ist.«
    »Ich weiß von ihm nur, daß er neulich in dem sicheren Haus in Stresa das Mittagessen kochte. Welchen Job hatte er bei Ihnen in Paris?«
    »Er war ein Buchhalter, ein erstklassiger junger Mann, Jean-Pierres rechte Hand in Steuerangelegenheiten. Er wird sehr vermißt werden.« Er brach ab, als werde ihm plötzlich bewußt, was für fromme Gemeinplätze er von sich gab, und redete dann rasch weiter. »Was für eine Waffe war das, die Bourger da hatte? Haben Sie sie erkannt?«
    »Ich dachte, es könnte eine Uzi sein. Schwer zu sagen.«
    »Ja, das könnte es gewesen sein.«
    Aber er dachte eigentlich nicht an die Waffe. Vielmehr fragte er sich, ob wir die gleichen Gedanken hatten wie er – daß ihm nämlich ein paar schwerwiegende falsche Beurteilungen unterlaufen waren, daß er einen bekannt starken

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